Skipper könnten bald ohne Grenzen arbeiten, so lautet das Ergebnis der TCC-SCV Abschlusskonferenz
Lösungen in Sicht – am 16. Juni 2016 nahmen mehr als 60 Personen an der Konferenz „Skipper arbeiten ohne Grenzen“ teil, die vom Verband European Boating Industry und dem TCC-SCV Projektteam ausgerichtet wurde. Dieser Tag bot die einzigartige Gelegenheit für einen lebendigen und dynamischen Austausch zwischen den Rednern – zu denen prominente Vertreter der EU und der Bootsbranche gehörten – und den Teilnehmern über das Problem der eingeschränkten Arbeitsmobilität von Berufsskippern auf kleinen kommerziell genutzten Yachten in Europa.
Der Präsident der European Boating Industry, Piero Formenti eröffnete die Konferenz und betonte, dass es ein Ziel des Verbands sei, „diese unverkennbare Plattform für Treffen der europäischen Wassersportbranche zu sein, um über wichtige Themen des Sektors zu diskutieren. Dazu gehört die fehlende Anerkennung der Berufsqualifikationen für Skipper in Europa, die auf kleinen kommerziell genutzten Yachten (SCV) arbeiten, und nun ist an der Zeit, dieses Thema auf EU-Ebene anzugehen.“
Mirna Cieniewicz, die Generalsekretärin von European Boating Industry und Moderatorin der Veranstaltung, nannte zunächst einige Zahlen zum maritimen Tourismus. Mit seinen geschätzten 50.000 – 75.000 Berufsskippern, die ständig oder gelegentlich in Europa arbeiten, ist das Chartergeschäft ein wesentliches Element des Blauen Tourismus. Die Charterflotte wird auf rund 60.000 Yachten mit bis zu 24 m Bootslänge geschätzt, aufgrund fehlender Angaben aus manchen EU-Mitgliedstaaten ist eine genaue Bezifferung schwierig. Das Chartergeschäft mit kleinen kommerziell genutzten Yachten erwirtschaftet jährlich einen geschätzten Umsatz von 6 Mrd. Euro.
Dennoch gibt es in Europa keine gemeinsamen Regeln für die Ausbildung und Zertifizierung von Berufsskippern und Kapitänen. Im Gegenteil, das rechtliche Umfeld ist stark zersplittert, da die Vorschriften nur auf einzelstaatlicher Ebene festgelegt werden. Folglich werden Berufsqualifikationen von einem anderen Mitgliedstaat nicht anerkannt, was zu Problemen bei der Anwerbung, der Arbeitsmobilität sowie zu fehlenden Berufsstandards führt.
Behandelt wurden diese Themen von Josie Tucci, der Geschäftsführerin von The Moorings (TUI Marine), einer der führenden Charteranbieter weltweit. Sie erläutert dass Yachtchartern mit Skipper ein wachsender Trend im weitergefassten Chartergeschäft sei und der Beruf eines Skippers über das reine Steuern eines Schiffes hinausgehe: Der Skipper werde zum „Urlaubsanimator“, der für das gesamte Urlaubserlebnis eine wichtige Rolle spiele. Das Unternehmen, das weltweit über 300 Millionen Kunden hat und zurzeit im Jahr rund 200 Skipper beschäftigt, zeigte sich von der Arbeit des TCC-SCV Projekts vollständig überzeugt.
TCC-SCV Projektleiterin Silja Teege (von der Charter- und Bootsschule Sea Teach) stellte die beiden wichtigsten Ergebnisse der TCC-SCV Initiative vor: das Online Comparison Tool und den Common Core Curriculum. Mithilfe des Online Comparison Tool konnte festgestellt werden, dass 80 – 90 % der 7 analysierten Qualifikationen identisch sind. Das bedeutet, dass es viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt und, allgemein gesprochen, die verschiedenen Qualifikationen bereits sehr ähnlich sind. Mit diesem Werkzeug wird die dringend benötigte Transparenz geschaffen sowie der Inhalt jeder einzelnen Qualifikation ermittelt, so dass leicht festgestellt werden kann, welche zusätzlichen Ausbildungsbereiche oder Fähigkeiten erforderlich sind, um unter der Flagge eines anderen Mitgliedstaates zu arbeiten.
Der gemeinsame Kernlehrplan, der Common Core Curriculum, wurde auf dieser derzeitigen gemeinsamen Grundlage entwickelt. Auf der Basis der festgestellten Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten könnten zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten, die nicht Gegenstand des Common Core Curriculums sind, als zusätzliche Module angeboten werden. Auf diese Weise könnte jeder Skipper seine Ausbildung individuell, je nach den Erfordernissen des jeweiligen Landes, durch die zusätzlichen Lehrinhalte ergänzen, die von den einzelnen Mitgliedstaaten verlangt werden. Mit anderen Worten: Es wäre nicht mehr notwendig, dass ein Skipper eine komplett neue Qualifikation des jeweiligen Flaggenstaates erwirbt, sondern lediglich die Lehrinhalte und Fähigkeiten ergänzt, die im Common Core Curriculum nicht enthalten sind, vom Flaggenstaat aber gefordert werden.
Beim der ersten Podiumsdiskussion kamen EU-Vertreter zusammen, um über die Vorteile des EU-Ansatzes zu diskutieren. Konstantinos Tomaras, stellvertretender Leiter des Referats für Freizügigkeit von Fachkräften bei der Europäischen Kommission, erinnerte die Teilnehmer daran, dass bestimmte EU-Vorschriften zur Gewährleistung der Arbeitsmobilität bereits in Kraft seien. Aber oft hätten selbst die Mitgliedstaaten und öffentlichen Verwaltungen keine ausreichenden Kenntnisse über die Maßnahmen und Verfahren, die sie durchführen müssten, um berufliche Mobilität zu ermöglichen. Es stehe fest, dass es mit den Behörden und der Industrie der einzelnen Länder eine engere Zusammenarbeit geben müsse, um sie über die existierenden Vorschriften besser zu informieren.
Cláudia Monteiro de Aguiar, Mitglied des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Tourismus innerhalb des europäischen Wirtschaftsbundes (SME Europe) fand herzliche Worte der Unterstützung für die Bemühungen der TCC-SCV Projektpartner. Sie kündigte an, dass weitere EU-Mittel beantragt werden können, um weitere Länder in die bislang getätigte Arbeit einzubeziehen. TCC-SCV hat bis jetzt die Qualifikationen von 7 Mitgliedstaaten analysiert: Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Kroatien, Slowenien und Tschechische Republik und möchte künftig auch Skandinavien, Italien, Griechenland und die Niederlande mit aufnehmen. Dies wird die Weiterentwicklung des Common Core Curriculum für europäische Skipper voranbringen. Mitglied des Europäischen Parlaments István Ujhelyi, stellvertretender Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses Verkehr und Fremdenverkehr und stellvertretender Vorsitzender der interfraktionellen Arbeitsgruppe Tourismus, versicherte in seinem Beitrag am Nachmittag ebenfalls seine Unterstützung für die TCC-SCV Initiative.
„Dieses Thema wird während der EU-Ratspräsidentschaft von Malta weitere Visibilität und Rückhalt erhalten“, versprach David Kerr, EU-Attaché für maritime Angelegenheiten für Malta. Er fügte hinzu, dass Wassertourismus generell eine Priorität für die Ratspräsidentschaft von Malta ab 1. Januar 2017 sein werde und er sich freuen würde, weiterhin auf diesem Gebiet eng mit European Boating Industry zusammenzuarbeiten. Unterstützung kam auch von Serban Berescu, dem von der IMO ernannten maritimen Botschafter für Rumänien, der daran erinnerte, dass anders als im Sektor für kleine kommerziell genutzte Yachten die internationale Handelsschifffahrt dank des STCW-Übereinkommens der IMO vollständig harmonisiert sei.
Zum Abschluss der zweiten Podiumsdiskussion rief Thomas Strasser, Teamleiter bei der Europäischen Kommission, den Teilnehmern ins Gedächtnis, dass die Kommission dieses Problem bereits 2014 identifiziert hatte und die laufende Studie dabei helfen würde, sich bietende Optionen zu erkennen. Er fügte hinzu, dass Kommissar Karmenu Vella die Bootsindustrie ebenfalls unterstütze und gratulierte der Branche für ihre proaktive und konstruktive Haltung.
Bernie Butler vom TCC-SCV Projekt: „Alles hat vor einigen Jahren angefangen, als 3 Leute auf einer kleinen Insel erkannten, dass Berufsskipper ein Problem haben. Heute reden wir mit den europäischen Einrichtungen und nationalen Behörden über mögliche Lösungen.“ Und genau das ist es, was die Berufsskipper brauchen – ihr Problem muss erkannt, Lösungen müssen gefunden und Maßnahmen auf nationaler und EU-Ebene ergriffen werden.
Auch die ADAC Sportschifffahrt hat das TCC-SCV Projekt von seiner Geburtsstunde an aktiv unterstützt und begleitet.