Mastbruch: Was man tun und lassen sollte.
Titelbild: Ohne Mast auf dem Atlantik © MJambo.de
Wenn der Mast runter kommt
Martin Daldrup ist das, was man einen segelnden Weltenbummler nennen kann. Mit seiner Bavaria 34 Holiday „Jambo“ segelt er seit einigen Jahren lange Strecken. Während des ersten Corona Lockdown fuhr er einhand von der Karibik bis nach Helgoland und führte mit uns ein Interview.
In diesem Jahr hat er erneut den Schlag über den Atlantik gewagt und danach eine Weile in der Karibik verbracht. Vergangene Woche machte er sich zurück auf den Weg zu den Azoren. Danach passierte am 17. April nach seiner eigenen Schilderung auf seinem Blog folgendes: „Gegen 21:00 Uhr passiert es. Ich bin unter Deck sehe noch kurz aus dem Augenwinkel wie die Windanzeige auf über 35 kn schnellt, dann macht es Knack und die Windanzeige ist weg und der Alarm geht an. Ich ahne, was passiert ist.“ Nachdem er an Deck zurückkommt, sieht er, dass der Mast außenbords an Backbord liegt – Mastbruch. Daldrup konnte die Situation klären, sich vom Mast befreien und hatte das große Glück, sich noch nicht zu weit vom Land entfernt zu haben, denn St. Martin war zu diesem Zeitpunkt mit 230 Seemeilen noch nah genug, um mit eigener Kraft unter Motor Land zu erreichen. Derzeit befinden sich Martin Daldrup und die SY Jambo geschützt in der Marigot Bay.
Mastbruch gehört unter Seglern zu den meistgefürchteten Szenarien, vor allem auf hoher See. Welche Gründe kann es für den Verlust des Riggs geben? Was ist im Fall der Fälle zu tun?
Gründe und Ursachen für einen Mastbruch
Es muss nicht immer im Sturm passieren: Ein Mastbruch kann verschiedene Ursachen haben, die auch bei Leichtwind zum Verlust oder Teilverlust des Riggs führen können. Auch bei leichten Brisen kann bei entsprechend großer Segelfläche mit Gennaker, Code Zero oder Spinnaker sehr viel Druck und hohe Lasten entstehen, die die oftmals unsichtbaren Probleme am Rigg durch Abknicken des Mast völlig unvermittelt zu Tage fördern. Häufig ist der Bruch von Wanten oder Stagen der Grund. Auch gelöste Schraubterminals an den Wanten werden oft als Ursache angeführt. Dem Mast wird dann plötzlich seine Stabilität entzogen und er bricht. Das gleiche gilt für Bolzen, die entweder durch Materialermüdung brechen können oder deren Sicherung, wie zum Beispiel Splinte, die vergessen wurden oder selbst durch Korrosion oder Verkanten nachgeben.
Von dem Grund des Mastbruchs hängt es auch ab, wo die Bruchstelle sich befindet. Mastbruch bedeutet nicht zwangsläufig, das gesamte Rigg zu verlieren. oft knickt der Mast oberhalb der ersten Saling ab, wenn zum Beispiel ein Oberwant bricht.
Vorbeugung von Mastbrüchen
Mindestens einmal im Jahr, bevor das Boot zu Wasser gelassen und der Mast gestellt wird, sollte das gesamte Rigg noch an Land eingehend geprüft werden. Ratsam ist auch eine Kontrolle nach der Saison, bevor das Rigg ins Mastenlager kommt. Auch bei Yachten, die die Wintersaison mit stehendem Mast verbringen, muss das stehende Gut zum Beispiel mit einem Bootsmannstuhl regelmäßig kontrolliert werden.
Aber auch in der Saison während der Törns sollte regelmäßig auf Auffälligkeiten und Verschleiß geachtet und vor allem die Wanten, Splinte, Terminals, Beschläge und Spannschrauben einer Sichtkontrolle unterzogen werden.
Zur Kontrolle an Land wird der Mast am besten auf Böcke gelegt und die Leinen und Fallen zur Seite gelegt, so dass keine Stellen verdeckt werden. Damit kein Bestandteil des Riggs bei der Kontrolle übersehen oder ausgelassen wird, rät sich das Erstellen einer Checkliste.
Wanten und Stagen
Wanten und Stagen halten den Mast an Deck und geben ihm Stabilität. Deshalb sollten die Drahtseile stets sehr eingehend überprüft werden. Am besten fährt man hierzu die Wanten und Stagen langsam mit zwei Fingern ab, denn Unregelmäßigkeiten und gebrochene Kardeele lassen sich eher erspüren als erblicken. Vor allem, wenn im Kern der Wanten und Stagen ein Problem vorliegt, fällt die Unregelmäßigkeit äußerlich zunächst nicht auf. Auch die Übergänge an den Terminals und Beschlägen, dort wie die Drahtseile in die Beschläge gepresst werden, sollten stets eingehend untersucht werden. Bei den Toggles sollte auf Verfärbungen geachtet werden – in diesem Fall gilt es, sie zu auszutauschen.
Achten Sie in jedem Fall darauf, die Empfehlungen der Hersteller für den Austausch/Lebensdauer der Wanten und Stagen einzuhalten. Auch optisch einwandfrei aussehende Drahtseile können mit der Zeit Ermüdungserscheinungen aufweisen.
Bolzen, Schäkel, Kauschen und Splinte
Bolzen sollten bei kleinen Auffälligkeiten oder im Zweifel gewechselt werden. Sicherungssplinte sollten möglichst immer nur einmal benutzt werden, weil das Material durch das Biegen leidet. Ringsplinte hingegen können mehrfach eingesetzt werden, sollten jedoch auch im guten Zustand sein. Im Zweifel gilt es, lieber zu erneuern. Zusammengezogene Kauschen sollten erneuert werden.
Beschläge
Mastbeschläge, wie Lümmelbeschlag oder die Aufnahmen der Salinge, sind oft genietet. Hier sollte regelmäßig der Zustand der Beschläge, die Vernietungen und die einwandfreie Befestigung überprüft werden. Natürlich müssen auch alle Verschraubungen fest sein und optisch einen guten Eindruck machen. Ebenso der Mastfuß bzw. bei durchgesteckten Masten der Durchlass. Im Zweifel sollte immer ein Fachmann zu Rate gezogen werden.
Zustand der Decksstruktur
Vergessen wird oft, den Zustand der Umgebung der Beschläge wie z.B. um dieWantenpüttinge zu checken. Spinnennetz-ähnliche Haarrisse im Gelcoat müssen noch kein Hinweis auf strukturelle Schäden im GFK sein, sollten aber überprüft werden. Auch die Rüsteisen und Verstärkungen unter Deck dürfen keine Auffälligkeiten ausweisen. Tritt zum Beispiel Feuchtigkeit durch die Verschraubungen der Rüsteiesn nach innen, sollte in jedem Fall die Struktur überprüft werden, um eine Delamination auszuschließen.
Laufendes Gut
Selbstverständlich gehört zu einer Kontrolle des Riggs auch die Überprüfung des laufenden Guts, wie zum Beispiel den Fallen. Hier sollte auf Scheuerstellen geachtet und bei der Kontrolle auch die Umlenkrollen und die dazugehörigen Beschläge und Schäkel einbezogen werden.
Mast und Salinge
Natürlich gehört auch eine Sichtkontrolle des Masts selbst dazu. Auffällige Verfärbungen, Kerben und Kratzer müssen kein Problem sein, können aber Probleme mit sich führen. Auch hier gilt es, schon bei geringsten Zweifeln einen Fachbetrieb zu konsultieren.
Losgeschnitten: Die SY Jambo nach dem Mastbruch ©mjambo.de
Was tun beim Mastbruch?
Kündigt sich ein Problem an, wie ein gebrochenes Want oder wenn es sichtbare Probleme gibt, die zum Riggverlust führen können, gilt es zunächst das Rigg augenblicklich zu entlasten. Je nach Situation sollte eine Wende oder Halse gefahren werden, um die problematische Seite zu entlasten. Wird beispielsweise hoch am Wind auf Steuerbordbug gesegelt und kündigt sich der Bruch einer Want an Backbord an, muss entweder sofort gewendet oder die Schoten losgeworfen werden um für Entlastung zu sorgen.
Ist der Mastbruch absehbar, müssen sich alle Crewmitglieder sofort auf den Cockpitboden legen besser noch unter Deck Schutz suchen, um nicht von fallenden Teilen getroffen zu werden.
Nachdem der Mast gefallen ist, sollte man sich von der Situation erst einmal ein Bild machen und alle Teile des Riggs zunächst gesichert werden. Bei Seegang, wenn der Mast außenbords hängt und gegen den Rumpf schlägt, sollte er jedoch schnell gekappt werden. Bei ruhigeren Bedingungen indes nicht sofort alle Wanten und Stagen trennen bzw. kappen. Viele Teile können später noch benutzt werden, um ein Notrigg zu bauen.
Wichtig: Der Schutz der Crew steht über allem. Deshalb sollte bei unruhiger See keine Hektik aufkommen, die Aufgaben verteilt und die Crewmitglieder entsprechend gesichert sein, während die Situation an Bord geklärt wird.
Oft bricht der Mast oberhalb des ersten Salingspaares. In diesem Falle lässt sich der verbleibende Rest als Notrigg umfunktionieren. Ist der obere Mastes abgeknickt, kann er mit Leinen nach vorne als Stütze befestigt werden. Ein Notrigg sollte immer stabil gebaut sein. Je nach Größe des Notriggs kommen dann entweder die Sturmfock oder das Trysegel als Notbesegelung zum Einsatz, um manövrierfähig zu bleiben und Fahrt machen zu können.
Ist kein Teil des Masts mehr vorhanden, kann zum Beispiel mit dem Großbaum oder einem Spinnakerbaum ein Notrigg gebaut werden. An Deck stehend sollte immer das längste Teil als Mastersatz zum Einsatz kommen.
Dokumentieren Sie nach Möglichkeit auch kleine Details fotografisch. Im Nachhinein ist oftmals nur sehr schwer zu ergründen, woran der Mastbruch letztlich gelegen hat. Vor allem aber für die Abwicklung mit den Versicherern sind aussagekräftige Fotos oftmals hilfreich. Notieren Sie sich auch die Wetter- und Seebedingungen während des Vorfalls.
Fazit
Es muss nicht immer im Sturm passieren. Mastbrüche können verschiedene Ursachen haben. Fehlerhafter Riggtrimm, ermüdetes Material, versteckte Mängel oder fehlerhafte bzw. keine Wartung. Garantien, nicht selbst irgendwann von einem Mastbruch betroffen zu sein, kann niemand geben. Gewissenhafte Kontrolle, richtiger Trimm, fachgerechte Wartung sowie fristgerechter Austausch sind für die Sicherheit maßgeblich. Viele Fachbetriebe bieten komplette Riggchecks an, bei denen laufendes und stehendes Gut eingehend kontrolliert werden.
Für den Fall, dass es auf See doch mal dazu kommt, sollte sich jeder Skipper im Vorfeld entsprechende Notfall-Pläne machen, was im Fall der Fälle zu tun ist.