Nachtfahrt auf See: Darauf kommt es an
Eine Nachtfahrt auf See bringt viele Vorteile mit sich. Wer allerdings eine Fahrt in völliger Dunkelheit unternehmen möchte, sollte einige wichtige Punkte beachten.
Nachtfahrt auf See – das hat nicht nur was von Abenteuer und ist ein echtes Erlebnis, sondern kann auch viele Vorteile mit sich bringen. Während einer Nacht auf See können viele Seemeilen gefahren werden, um Ziele zu erreichen, die sonst nicht oder nur mit viel mehr Zeitaufwand anzulaufen sind. Der Radius während eines Törns wird also wesentlich erweitert, wenn am Abend nicht im Hafen angelegt oder in der Bucht der Anker ausgeworfen wird, da stattdessen noch ein gutes Stück Wegstrecke möglich ist. Manche Ziele sind auch ohne Nachtfahrt gar nicht zu erreichen, zum Beispiel weiter entfernte Inseln.
Viele Skipper schrecken allerdings vor der Fahrt in völliger Dunkelheit auf See zurück. Dabei ist eine Nachtfahrt, sogar mehrere Nächte auf See hintereinander, durchaus eine machbare und einfache Sache – wenn die wichtigsten Punkte beachtet werden.
Die erforderliche Ausstattung an Bord
Für eine Nachtfahrt ohne Komplikationen benötigt das Boot oder die Yacht natürlich eine entsprechende Ausrüstung.
Beleuchtung
BSH-zugelassene Positionslichter sind hier als Erstes zu nennen. Die Art der erforderlichen Beleuchtung ist abhängig von der Bootsgröße und der -art.
- Für Kleinfahrzeuge unter 7 Meter Länge und ohne Maschinenantrieb, wie kleine Segelboote, benötigen lediglich ein von allen Seiten (Rundumlicht, Topplicht)) sichtbares, weißes Licht. Zusätzlich ist eine Handlampe erforderlich, mit welcher bei Annäherung anderer Wasserfahrzeuge in das Segel geleuchtet wird, um besser sichtbar und als Segelfahrzeug identifiziert werden zu können.
- Segelboote unter 12 Meter Länge ohne Motor können entweder mit einer Dreifarbenlaterne an der Mastspitze, Seitenlichter und Hecklicht oder einer Zweitfarbenlaterne am Bug und einem Hecklicht ausgestattet werden. Ist ein Motor an Bord, gelten die Regeln für Maschinenfahrzeuge, sodass hier zum Beispiel das sogenannte „Dampferlicht“ bei Fahrt unter Maschine zugeschaltet werden muss.
- Kleinfahrzeuge unter Maschine unter 12 Meter Länge benötigen entweder Seitenlichter und ein Rundumlicht im Topp oder eine Zweifarbenlaterne am Bugbereich sowie ein Rundumlicht.
- Maschinenfahrzeuge zwischen 12-20 Meter müssen Seitenlichter oder eine Zweifarbenlaterne und zusätzlich ein Topplicht sowie eine weiße Hecklaterne führen.
Durch die Beleuchtung ergeben sich weitere Ausstattungsmerkmale, wie Bordelektrik oder bei Segelyachten eine ausreichende Batteriekapazität, damit die Beleuchtung auch entsprechend lang mit Strom versorgt werden kann. Außerdem sollten sich Skipper wie Crew mit den allgemeinen Regeln der Lichterführung auskennen, um die richtige Beleuchtung zu wählen und vor allem andere Positionslichter „lesen“ zu können.
Zusätzlich zur gesetzlich vorgeschriebenen BSH-Beleuchtung sollte ein Decksstrahler/Suchscheinwerfer vorhanden sein, oder ein entsprechend leistungsfähiger Handstrahler. Auch sollten Taschenlampen und Stirnlampen bereit liegen, beide im besten Falle mit Rotlicht. Für die Beleuchtung unter Deck ist ein Rotlicht ideal, denn Rotlicht hat die Eigenschaft, dass das menschliche Auge anschließend besser im Dunklen sehen kann und sich nicht erst auf den Lichtwechsel einstellen muss. Ein Auge benötigt bis zu einer halben Stunde, um sich von hellem Weißlicht wieder an die Dunkelheit angepasst zu haben und die volle Sehfähigkeit in der Nacht zu erhalten.
Sicherheitsausrüstung
Natürlich sollten nicht nur auf Nachtfahrt alle Crewmitglieder an Deck Rettungswesten tragen. Viele Modelle besitzen bereits ein Licht oder lassen sich später damit ausstatten. Anzuraten ist in der Dunkelheit zusätzlich, Lifebelts bereit zu legen, falls Manöver ein Crewmitglied zum Beispiel aufs Vorschiff zwingen oder das Wetter entsprechende Sicherungsmaßnahmen erfordert. Natürlich gehört auch ein lichtstarkes Fernglas zu einer Nachtfahrt.
Um selbst in der Dunkelheit besser von anderen Verkehrsteilnehmern gesehen zu werden, ist natürlich ein aktives AIS an Bord ideal. Alternativ sollte das Boot zumindest mit einem Radarreflektor ausgestattet sein, um von der Berufsschifffahrt oder anderen Fahrzeuge mit Radarausstattung besser gesehen werden zu können.
Zur Sicherheitsausrüstung gehört auch ein entsprechendes Ölzeug mit angebrachten Reflektoren. Sollte eine Person des Nachts über Bord gehen, kann sie besser mit dem Suchscheinwerfer gefunden werden, wenn die Bekleidung reflektierende Elemente besitzt. Aber nicht zur Ölzeug ist auf einer Nachtfahrt wichtig, sondern auch bereitgelegte Thermo-Unterwäsche, Fleecejacken und Wollmützen. Nachts kann es schlagartig kälter werden, sodass eine entsprechende Kleidung immens wichtig ist.
Sonstige Ausstattung
Verpflegung in der Nacht ist wichtig, vor allem beim Thema Flüssigkeitshaushalt. Es sollten also ausreichend kalte und auch warme Getränke bereit stehen. Gerade in der Nacht, wenn es kalt wird oder Müdigkeit eintritt, kann ein warmer Tee oder Kaffee für ein besseres Befinden sorgen. Am besten vor Fahrtantritt heißes Wasser in Thermoskannen abfüllen, damit warme Getränke nachts keinen großen Aufwand erfordern.
Natürlich sind auch Mahlzeiten in der Nacht wichtig für das Wohlbefinden und die Konzentration, denn Hunger kann auch zu Müdigkeit und Unkonzentriertheit führen. Deshalb sollte für ausreichend Verpflegung gesorgt werden, die schnell und einfach zubereitet werden kann, wie Suppen, Brote oder kleine Fertiggerichte. Hier gilt: Auch bei großem Hunger lieber öfter kleine Mahlzeiten essen statt sich den Bauch vollzuschlagen und müde zu werden.
Vor allem auf Segelbooten sind Leesegel für die Kojen ein wichtiges Ausstattungsmerkmal für die Nachtfahrt. Schlafende Crewmitglieder außerhalb der eingeteilten Wachzeiten können so auch bei starker Krängung, Seegang oder Manövern davor geschützt werden, aus der Koje zu fallen.
Das Crewmanagement auf Nachtfahrten
Trotz aller Ausrüstung, technischer Geräte und Hilfsmittel ist und bleibt das Crewmanagement wohl der wichtigste Aspekt – erst recht für eine Nachtfahrt. Vor der Fahrt sollten Wachwechsel und Schlafzeiten festgelegt und die Crewmitglieder eingeteilt werden. bei der Einteilung ist es wichtig, immer erfahrene Crewmitglieder auf die einzelnen Wachen zu verteilen und sogenannte „Wachführer“ zu bestimmen.
Im besten Fall sind die Wachen so verteilt, dass niemand geweckt werden muss, falls Fragen auftauchen, weil ein erfahrenes Crewmitglied alle Fragen beantworten kann. Auch für den Skipper ist es immens wichtig, sich auf die wachhabende Crew verlassen zu können, um überhaupt schlafen zu können. Daher sollte nicht nach persönlichen Vorlieben eingeteilt werden, sondern nach Aspekten der Kompetenz und Erfahrung.
Generell sollte man den Schlaf nicht zu kurz kommen lassen oder gar die Nacht komplett wach bleiben, denn die Konzentration lässt irgendwann immer nach und kann zu Fehlern führen. Es kann aber auch durchaus passieren, dass der Schlaf nicht so erholsam ist, wie vorher gedacht und es vor dem angestrebten Wachwechsel zu extremer Müdigkeit kommen kann. In diesem Fall ist es besser, ein anderes Crewmitglied übernehmen zu lassen (auch wenn es dafür geweckt werden muss), bevor es zu Schwierigkeiten kommt.
Wie lange die einzelnen Wachen eingeteilt werden, hängt von vielen Faktoren (Crewstärke, Erfahrung, auch Schlafverhalten- und -Training) ab und kann nie pauschal beantwortet werden.
Die Aufgabenverteilung (Rudergänger, Navigation, etc.) sollte vorher klar geregelt sein. Ideal ist es, wenn sich die Crewmitglieder während der Wachwechsel kurz miteinander abstimmen und besprechen, wie die Situation ist und oder oder was in Kürze ansteht, wie zum Beispiel Manöver oder Kurswechsel.
Crewwissen
Bevor es durch die Nacht auf See geht, sollte die Crew über wichtige Aspekte informiert werden. Das betrifft sowohl alle bootsrelevanten Themen wie Bedienung, Tiefgang und Eigenschaften sowie alle anderen Faktoren, die für die Nacht wichtig sind. Hier ist vor allem die Lichterführung und Lichtererkennung entscheidend. Alle Crewmitglieder sollten wissen und anhand der Lichter erkennen, wohin sich ein anderes Schiff bewegt, ob es manövrierbehindert ist und um welche Art Wasserfahrzeug (Stichwort KVR und Vorfahrtregeln) es sich überhaupt handelt.
Auch sollte zum Beispiel auf Sektorenfeuer von Leuchtfeuern aufmerksam gemacht und diese erklärt werden. Doch auch wenn alles Wissen vermittelt scheint, muss es bestimmte Absprachen geben, in welchen Fällen zum Beispiel der Schiffsführer geweckt werden muss, weil bestimmte Fragen oder Situationen auftauchen, die die wachhabende Crew nicht beantworten oder lösen kann.
Allen Crewmitgliedern sollten natürlich auch die Informationen über das zu erwartende Wetter und Eigenschaften entlang der Route, wie zum Beispiel zu querende Verkehrstrennungsgebiete, erhalten. Die gesamte Törnplanung sollte allen an Bord vermittelt und erklärt werden, ebenso wie die Informationen über die Marina, die angesteuert werden soll. Überraschungen und ungeklärte Fragen sind unterwegs auf See nie ratsam, schon gar nicht, wenn die halbe Crew in der Koje liegt und schläft und es mitten in der Nacht ist. Und auch Segelmanöver müssen die jeweiligen Wachen an Deck allein durchführen können. Im Zweifel sollte vorher am Tag mit den jeweils eingeteilten Personen geübt werden.
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Fazit zu Nachtfahrten
Nachtfahrten sind ein echtes Erlebnis und erweitern den Aktionsradius eines Törns erheblich. Um die Dunkelheit auf See ohne Komplikationen zu meistern, ist allerdings ein größeres Maß an sorgfältiger Vorbereitung also ohnehin notwendig. Auch die Ausstattung sollte zur Nachtfahrt passen. Ansonsten gilt es, nachts defensiver, noch wachsamer, umsichtiger und langsamer zu fahren, bei Segelbooten vor Einbruch der Dunkelheit ggf. ein Reff einzubinden, um auch auf stärkeren Wind ohne große Manöver vorbereitet zu sein.
Auch Nachtfahrten können geübt werden, indem zum Beispiel entweder sehr früh morgens abgelegt wird, um noch ein paar Stunden bei Dunkelheit zu fahren oder den Tagestörn so zu gestalten, dass zum Beispiel ein bekannter oder leicht anzusteuernder Hafen erst in der Dunkelheit erreicht wird. So oder so lässt es sich gut an eine komplette Fahrt durch die Nacht herantasten.
Viele, die Nachts unterwegs sind, können später kaum noch davon lassen. Einen Sonnenuntergang oder -Aufgang auf See zu erleben, nachts allein auf dem Wasser zu sein und bei Tagesanbruch neue Ziele zu erreichen oder sogar mehrere Tage und Nächte durchzusegeln, hat einen ganz besonderen Charme. Wie fast immer auf See, kommt es auch hier auf eine gute Vorbereitung an.