Kentern mit dem Boot: Bedeutung, die häufigsten Ursachen und Tipps zur Vermeidung
Was passiert, wenn ein Boot kentert? Welche Auswirkungen hat das Kentern bei Jollen und Segelyachten? Wie lässt sich das Umkippen des Bootes vermeiden? Alle Antworten dazu in unserem Ratgeber.
Für die einen gehört es dazu, für die anderen ist es ein Schreckensszenario: das Kentern. Was beim Kentern mit einem Segelboot passiert, hängt von der Art des Bootes ab. Ist es beim Segeln mit einer Jolle durchaus üblich, dass das Boot auch mal umkippt, passiert es auf Segelyachten so gut wie nie und meistens nur dann, wenn es technische Probleme oder starken Sturm und hohe Wellen gibt.
Was ist Kentern?
Kentern bedeutet, dass das Segelboot auf die Seite kippt und der Mast und die Segel auf dem Wasser liegen oder sogar etwas unter der Wasserlinie. Vom „Durchkentern“ ist die Rede, wenn das Boot sich dreht und kieloben schwimmt.
Wie Du das Umkippen mit dem Segelboot vermeidest, bei welcher Art Booten Kentern welche Auswirkungen hat und was zu tun ist, wenn Du beim Segeln doch mal kenterst:
Kentern mit der Segeljolle
Segeljollen verfügen über keinen Ballastkiel, sondern lediglich über ein Schwert ohne nennenswertes Gewicht. Daher muss zum Beispiel hoher Winddruck in den Segeln durch Gewichtstrimm der Crew ausgeglichen werden, um ein Kentern zu vermeiden.
Gründe für das Kentern von Segeljollen
Die häufigsten Gründe, die das Kentern von Segeljollen verursachen, sind folgende:
- Falscher Gewichtstrimm
- Zu viel Segelfläche
- Plötzliches Abflauen des Winds
- zu spätes Auffieren (lösen) der Schoten
- Einstecken des Bugs in eine Welle
- Verklemmen von Schoten
Da eine Jolle keinen Ballast unter dem Rumpf besitzt, der das Boot aufrecht hält (aufrichtendes Moment), ist vor allem zu hoher Winddruck in den Segeln der Hauptgrund, dass ein Segelboot umkippt. Vor allem in Böen, die an Bord nicht rechtzeitig erkannt werden, steigt der Druck im Rigg (Mast) so stark, dass das Boot auf die Seite kippt.
Starkem Winddruck im Rigg kann an Deck durch Gewichtstrimm nach Luv entgegengewirkt werden, zum Beispiel durch das Trapez, durch Ausreiten oder indem sich die Crew in Luv auf die hohe Kante setzt. Vor allem aber sollten die Schoten sorgsam geführt werden und durch das Öffnen der Segel Druck rausgenommen werden. Außerdem kann ein Segelboot, welches in einer Böe hoch am Wind in extreme Schräglage (Krängung) gerät, durch anluven, also durch die Kursänderung mit dem Bug in die Windrichtung, aufgerichtet und eine Kenterung vermieden werden.
Auch zu viel Segelfläche kann zu einer Kenterung führen, wenn zum Beispiel bei zu viel Wind mit Gennaker oder Spinnaker gesegelt wird. Deshalb sollte auch die Segelfläche an die Windsituation angepasst werden. Auf größeren Booten gibt es daher die Möglichkeit, die Segel zu reffen, also die Segelfläche zu verkleinern.
In manchen Revieren, in denen häufig extreme Windlöcher entstehen, kann immer wieder beobachtet werden, dass ein Boot nicht nach Lee, sondern nach Luv umkippt. Wenn die Crew das Gewicht wegen einer Böe sehr weit nach Luv verlagert hat und der Wind dann ursprünglich abreißt, kann das Boot durch den falschen Gewichtstrimm durchaus kentern. Daher ist es auf Jollen immer wichtig, auf die Wasseroberfläche zu achten und den Wind vorausschauend zu „lesen“.
In den meistens Segelkursen werden Kenterungen häufig geübt, dieser Punkt gehört zu den Segel-Grundkursen dazu. Moderne Segeljollen lassen sich mit der entsprechenden Technik blitzschnell wieder aufrichten. Dennoch sollten Kenterungen natürlich immer vermieden werden.
Was tun, wenn die Segeljolle kentert?
Wenn ein Segelboot doch kentert, muss zunächst der Kontakt zum Boot gehalten werden – es sollte auf keinen Fall abtreiben. Dazu greifst Du entweder eine Leine oder hältst Dich am Boot fest. Segelst Du mit einer Crew, solltest Du zunächst sicherstellen, dass alle okay sind. Wichtig ist, dass das Boot auch vorm Durchkentern gesichert wird – also dass der Mast und vor allem die Segel nicht ins Wasser eintauchen.
Bei einer durchgekenterten Segeljolle kann der Mast zum Beispiel im Schlamm feststecken, sodass das Aufrichten erheblich erschwert wird. Danach sollten alle Schoten gelöst werden, damit beim Aufrichten nicht gleich wieder der Druck zu hoch wird. Vorwindsegel wie Spinnaker müssen vor dem Aufrichten aus dem Wasser geborgen werden, weil sich dort viel Wasser sammeln und ein zu großer Ballast entstehen kann.
Danach wird das Boot mit dem Bug in die Richtung gedreht, aus der der Wind kommt. Anschließend auf das Schwert klettern, eine Schot greifen und das Boot mit dem eigenen Gewicht langsam nach oben aufrichten. Bei zwei Personen können sich die erforderlichen Schritte aufgeteilt und vor dem Lossegeln abgesprochen werden.
Schwimmt das Boot wieder aufrecht, heißt es erst einmal, sich kurz zu sammeln, das Boot und die Segel zu kontrollieren. Danach steht dem Weitersegeln nichts im Wege.
Kentern mit Segelyachten oder Kielbooten
Zuerst die gute Nachricht: Eine Kenterung mit einem Segelboot, welches über einen Ballastkiel verfügt, ist sehr unwahrscheinlich. Ein schwerer, gusseiserner Kiel, oder eine Bleibombe schaffen das sogenannte „aufrichtende Moment“. Wird der Winddruck im Rigg zu groß, kommt es in fast allen Fällen eher dazu, dass das Boot stark krängt, dadurch der Ruderdruck abreißt und das Boot in den Wind „schießt“, also so stark anluvt, bis der Bug im Wind steht. Dieser Effekt wird auch „Sonnenschuss“ genannt. Dass eine Kielyacht nur durch den Wind kentert, ist mehr als unwahrscheinlich.
Gründe für das Kentern von Segelyachten
Auch, wenn das Kentern von Segelyachten unwahrscheinlich ist, bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel und es kann durchaus auch bei hohem Ballastanteil zdazu kommen. Die häufigsten Gründe sind:
- Hohe Wellen /Brecher
- Kielverlust
- Technische Probleme, wie verklemmter Gennaker o.ä.
Bei schwerer See und hohen, sich brechenden Wellen, kann eine Kielyacht im schlimmsten Fall querschlagen, wenn sie von einem Brecher zum Beispiel seitlich erwischt wird. Allerdings hat der Ballastkiel in diesen Fällen fast immer zur Folge, dass sich das Boot von selbst wieder aufrichtet. Wenn die Segel auf der Wasseroberfläche aufliegen, nimmt der Winddruck ab und der schwere Kiel „zieht“ das Boot wieder in die aufrechte Position.
In den wohl meisten Fällen führt ein Kielverlust zur Kenterung moderner Segelyachten. Aber auch dieser Fall tritt nur sehr selten ein.
Häufiger, aber immer noch selten, passiert es, dass bei fehlgeschlagenen Manövern das Boot auf die Seite gedrückt wird. Verklemmt sich in einer Halse oder Wende zum Beispiel die Schot des Gennakers, kann der Winddruck im Rigg so stark werden, dass er das Boot „auf die Backe“ drückt. Aber auch hier gilt, dass das Boot sich von selbst wieder aufrichten sollte.
Übrigens: Zusätzlich zum Ballastkiel sind moderne Yachten schon konstruktionsbedingt sehr stabil und kentern nicht, hier spricht man von der „Formstabilität“.
Richtiges Verhalten beim Kentern eines Segelboots
- Ruhe bewahren!
- Die Crew sollte vorm Ablegen immer ein Kenterszenario besprechen und die Rollen festlegen
- Übe das Kentern regelmäßig, zum Beispiel bei wenig Wind, um Routine zu bekommen
- Mit einem Kenterball am Masttopp verhinderst Du, dass das Boot durchkentert und der Mast unter Wasser gerät
- Wenn Dein Segelpartner den Großbaum unter Wasser drückt, während Du das Boot aufrichtest, kann das Wasser schneller aus den Segel ablaufen
- Vorm Aufrichten des Bootes sollte das Wasser von den Segeln abgeflossen sein. Also Schoten lösen und Segel langsam anheben und das Wasser ablaufen lassen
- Wenn Du allein bist und das Boot nicht aufgerichtet bekommst, mache andere Segler oder Bootfahrer auf Dich aufmerksam
- Bevor Du weitersegelst, solltest Du das Boot aufräumen, alle Leinen sortieren und das Boot vollständig unter Kontrolle haben
Kentern und Co.: Weitere Tipps aus der Skipper-Praxis
- Worauf du beim Ankern achten solltest
- Richtiges Manövrieren im Hafen
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