Nachhaltigkeit im Bootssport: Aktuelle Entwicklungen und Trends der Branche
Nachhaltigkeit im Bootssport ist ein facettenreiches Thema, das viele Veränderungen und Erfordernisse für Skipper mit sich bringt. Ein Überblick über aktuelle und zukünftige Nachhaltigkeits-Bestrebungen in der Branche.
Es gibt kaum einen Bereich in unserer Gesellschaft, in dem Klima- und Umweltschutz nicht die vorherrschenden Themen sind, wenn es im die zukünftige Entwicklung geht. Auch der Bootssport ist gefordert, die Weichen auf CO2-Neutralität, Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu stellen. Immer neue Regelungen werden weltweit erlassen, Auflagen für die Industrie verschärft und auch für die Bootsportler selbst gilt es, sich den Veränderungen und Erfordernissen anzupassen. Viele Länder und Regionen haben sich teilweise ambitionierte Ziele gesetzt, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt CO²-neutral zu sein In den entsprechenden Maßnahmenkatalogen sind auch der Tourismus und somit der Bootsport enthalten.
Nachhaltigkeit im Bootssport umfasst viele Facetten. Wohin die Reise geht und was derzeit der Stand der Dinge ist, haben wir in einer Übersicht zusammengestellt. Dabei betrachten wir unter anderem die folgenden Bereiche:
Nachhaltigkeit im Bootsbau
Am Anfang der Kette steht der Bau von Booten und Yachten. Hier hat sich in der jüngeren Vergangenheit sehr viel getan. Natürlich spielen auch Faktoren wie die umweltverträgliche und gewissenhafte Entsorgung und den Umgang mit den anfallenden Bootsbaumaterialien und deren Reste eine Rolle. Viel entscheidender jedoch ist, welche Materialien überhaupt zum Einsatz kommen. Fast jedes Bootsbaumaterial betrifft das, egal ob Harze, Hölzer, Metalle oder Farben.
Die Firma Greenboats aus Bremen gilt hier als einer der Vorreiter, denn bereits seit über 10 Jahren experimentiert das Unternehmen mit nachhaltigen Bootsbaumaterialien. Besonders zu erwähnen ist dabei, dass nachwachsende Rohstoffe wie Flachsfasern statt Glasfaser zum Einsatz kommen und nachhaltige Harze aus pflanzlichen Ölen benutzt werden.
Galt Greenboats vor wenigen Jahren noch als Exot, hat sich die nachhaltige Werft heute am Markt etabliert. Mehr noch, denn mittlerweile finden sich viele Bootsbaubetriebe, die Laminate aus Naturfasern und nachhaltige Bauweise anbieten. Sogar für die IMOCA-Rennyacht „Malizia Sea Explorer“ des Hamburger Seglers Boris Herrmann wurden Bauteile mit Flachsfasern von Greenboats hergestellt. Die IMOCA-Regeln sehen seit einiger Zeit vor, dass für klimaneutral hergestellte Elemente Gewichtsgutschriften gegeben werden, die sich vorteilhaft auf die Performance auswirken.
Dass eine nachhaltige Bauweise auch im Spitzen-Regattasport angekommen ist, zeigt, dass die Branche das Thema ernst nimmt. Schwieriger wird es jedoch für die Industrie, wenn es um den Großserienbau geht. Hier ist im Bezug auf die Nachhaltigkeit vielerorts noch Luft nach oben, gerade was den Rumpfbau angeht.
Die Werften stehen unter einem Preisdruck und müssen auf ihre Produktionskosten achten, um marktgerechte Preise anbieten zu können. Lieferkettenengpässe, steigende Preise, Fachkräftemangel und ein unter Druck geratener Markt lassen es schlichtweg nicht zu, Produktionsprozesse und Materialien umzubauen.
Allerdings sind viele Werften mittlerweile gezwungen, umzudenken und alternative Bootsbaumaterialien einzusetzen. Das betrifft vor allem das Thema Hölzer. Zertifiziertes Teak beispielsweise ist kaum noch zu bekommen, dazu sündhaft teuer – derzeit liegt der Kubikmeterpreis jenseits der 30.000 Euro. Es werden fast überall Alternativen angeboten, manche Werften verzichten bereits vollkommen auf den Einsatz. Die Alternativen reichen von nachwachsenden Rohstoffen wie Kork bis hin zu sogenannten Kunststoffteaks aus PU oder PVC.
An diesem Punkt scheiden sich häufig auch die Geister, denn die einen sagen, dass nur Naturmaterialien nachhaltig sind, andere argumentieren, langlebige Kunststoffe mit jahrzehntelanger Nutzungszeit würden die Umwelt ebenso wenig belasten.
Entsorgung und Recycling von Altbooten
Die Nachhaltigkeit misst sich nicht nur an der Herstellung. Es gibt noch einen weiteren Punkt, der am Ende eines Bootslebens steht: Die Entsorgung von Altschiffen. In fast jedem Hafen oder Bootslager gibt es marode, verrottete Boote, um die sich niemand mehr kümmert und die als „schrottreif“ bezeichnet werden können. Und es kommen Jahr für Jahr geschätzt tausende Boote dazu.
In Deutschland, so wird geschätzt, gibt es rund 500.000 Bootsbesitzer – von der Jolle bis zur Yacht. Vor allem die GFK-Boote aus den 70er Jahren, deren Lebenszeit von etwa 50 Jahren nun vorbei ist, werden immer mehr zum Problem.
Schwierigkeiten bei der Entsorgung von Altbooten
Die hauptsächliche Schwierigkeit bei vielen Altbooten: Oft weiß niemand, wem sie gehören. Ein zentrales Schiffsregister für Sportboote gibt es nicht. Deshalb stellen manche Eigner ihre alten Boote einfach in Nacht-und-Nebel-Aktionen in Häfen ab oder parken sie am Straßenrand. Hafenbesitzer dürfen fremdes Eigentum jedoch nicht einfach so entsorgen, möchten dazu auch nicht auf den Entsorgungskosten sitzen bleiben, weshalb diese „Leichen“ genannten Altboote oft viele Jahre herumliegen.
Wo das Recycling von Booten funktioniert
Das Recycling von Booten ist jedoch kein Ding der Unmöglichkeit. Im Gegenteil, denn viele Materialien können wiederverwertet werden, wie hochwertige Alu-Beschläge oder Edelstahl. Und sogar für GFK gibt es eine Verwendung, wie als Granulat im Straßenbau oder als Basis für die Herstellung von Quarzsand in der Zementindustrie.
Wie es gehen kann, zeigt Frankreich: Hier wurde bereits vor über zehn Jahren das Problem von der französischen Industrie frühzeitig erkannt und getestet, wie eine organisierte Entsorgung von alten Booten und Yachten funktionieren kann. Mittlerweile gibt es sogar einen staatlichen Auftrag, die Entsorgung ist für die Eigner (bis auf die Anlieferung) kostenlos und wird über eine zentrale Webseite unkompliziert abgewickelt. 2019 ist schließlich eine Entsorgungspflicht für Boote eingeführt worden, Handel und Werften müssen beim Verkauf eine Umweltabgabe zahlen, die zur Finanzierung des Recyclingsystems genutzt wird.
Entsorgung und Recycling von Booten in Deutschland
Wann und ob die Entsorgung in Deutschland zentral organisiert werden kann, hängt von der Einführung eines einheitlichen Registers ab. Die Zeit rennt, denn bis im Bootsbau flächendeckend nachhaltige und wiederverwendbare Materialien verbaut werden, müssen noch zigtausende Altboote entsorgt werden, deren Lebenszyklus abgelaufen ist.
Als derzeit wahrscheinlichste Lösung für eine einheitliche Regelung bei der Entsorgung ausrangierter Boote gilt eine Initiative der europäischen Bootsbauindustrie, die in diesem Jahr den Fahrplan für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft für Altboote ins Leben gerufen hat. Ziel: 2030 soll es eine europaweite Lösung zum Recycling von Booten geben.
Nachhaltige Bootsantriebe: Alternativen zum Verbrenner
Im Bereich nachhaltige Bootsantriebe ist in den letzten Jahren sicherlich am meisten passiert. Gehörten elektrische Motoren vor wenigen Jahren noch zur absoluten Ausnahme, findet man sie vor allem an kleineren Booten immer häufiger. Aber auch größere Yachten und Fahrtenboote werden mit E-Motoren ausgestattet. Grund ist die stetige Weiterentwicklung vor allem in der Batterietechnik. Die Motorenhersteller profitieren stark von den technischen Entwicklungen in der Autoindustrie.
Fast jede Werft, auch die Serienhersteller großer Yachten, bieten alternativ zum Verbrenner auch elektrisch betriebene Motorsysteme an, sowohl als Hybridlösung oder auch als Vollstromer. Kleinstboote, wie Dingis, Jollen oder Angelkähne werden bereits schon seit längerer Zeit immer häufiger mit E-Außenbordern versehen.
Immer mehr Verbrennerverbote
Neben den immer häufigeren Kundenwünschen nach elektrischen Antrieben wird der Druck allerdings auch durch politische Entscheidungen höher: Immer mehr Reviere schränken den Betrieb von Verbrenner-Motoren ein, erste reine Elektroreviere sind bereits eingerichtet worden, wie zum Beispiel der Innenstadtbereich von Amsterdam.
Auch Berlin denkt derzeit darüber nach, ein reines Elektrorevier zu werden. Nordbrandenburg mit der WIN-Initiative (Wassersport in Nordbrandenburg) hat sich erfolgreich als Modellregion für Elektromobilität auf dem Wasser beworben, die durch eine Kooperation des Bundesverbands Wassersportwirtschaft (BVWW) und dem Deutschen Boots-und Schiffbauerverband (DBSV) initiiert wird. Aber nicht nur in Binnenrevieren gibt es solche Initiativen, auch in Küstengebieten wie zum Beispiel in Greifswald laufen derzeit Überlegungen oder bereits Planungen für die Umsetzung.
Mangelnde Infrastruktur als Hindernis
Als Hindernis bei der Einführung von flächendeckenden elektrischen Revieren gilt derzeit vielerorts die mangelnde Infrastruktur. Viele Hafenbetreiber besitzen nicht die Möglichkeit, schnellen Ladestrom zur Verfügung zu stellen. Außerdem verfügt die Bootsindustrie noch gar nicht über einheitliche Ladestandards, wie es im Automobilbereich der Fall ist.
Hier gibt es noch einen erheblichen Nachholbedarf. Helfen können dabei verschiedene Initiativen, wie die bereits genannte Kooperation zwischen BVWW und DBSV und der von der Leitmesse boot Düsseldorf unterstützte Initiative „blue Innovation Dock“, die innovative Ideen und Umsetzungen sowie die Branche und StartUps zusammenbringt und unterstützt.
Gewässerschutz: Strengere Auflagen für Hafenbetreiber und Bootfahrer
Vieles tut sich weltweit, wenn es um den Gewässerschutz geht. Die Auflagen werden immer strenger, egal ob für Hafenbetreiber oder Bootfahrer. Vielerorts ist das Einleiten von Fäkalien bereits vollständig untersagt.
In manchen Gebieten, wie in der Türkei, wurde sogar eine Pflicht zur Dokumentation der Entsorgung eingeführt und streng kontrolliert. Ohne offizielle Dokumente (per QR-Code) ist in der Türkei das Absaugen von Fäkalientanks gar nicht mehr möglich. Auch hier besteht das Problem meistens darin, dass jedes Land seine eigenen Regeln und Gesetze erlässt. Eigner, Charterer und Bootfahrer, die in verschiedenen Ländern reisen, sind oft verunsichert.
Schutzgebiete und Umwelt-Reviere
Die Gesetzgeber führen immer mehr Schutzgebiete und Reviere ein, in denen der Umweltschutz die Regeln vorgibt. Wie zum Beispiel bei der Befahrensverordnung für das Wattenmeer. Hier allerdings regt sich immer häufiger großer Widerstand, etwa bei den offenen Überlegungen, auch große Teile der Ostsee einzuschränken.
Oft sind für Freizeitkipper die Regeln nicht klar erkennbar oder nur wenig nachvollziehbar, wenn sie wie im Fall der Wattenmeer-Verordnung in der Praxis nur schwer umzusetzen sind. Viele Verbände haben bereits Einspruch erhoben.
Neue Gesetze zum Umweltschutz
Nicht nur Skipper setzen sich mit vielen neuen Vorschriften auseinander. Auch zum Beispiel die Hafen- und Winterlagerbetreiber müssen und wollen sich immer mehr für den Schutz unserer Gewässer und der Umwelt engagieren. Das beginnt bei der Mülltrennung und der Entsorgung von umweltschädlichen Stoffen, wie Lacken und Harzen, bis hin zu modernen Absaugstationen und der Stromerzeugung durch PV-Anlagen, bzw. grünem Strom in den Häfen. Viele Hafenordnungen wurden in den letzten Jahren immer mehr um Umweltaspekte und Gewässerschutz erweitert.
Gewässerschutz-Bestrebungen der Bootsindustrie
Und auch die Industrie ist gefordert, zum Beispiel beim Thema Bewuchsschutz. Hier wurden in der jüngsten Vergangenheit immer mehr Biozide in Antifoulings verboten. Umweltschonende Coatings und Antifoulingfolien setzen sich immer mehr durch. Die Ideen sind kreativ und reichen bis zu Unterwasserschiff-Waschanlagen.
Initiativen zum Gewässerschutz
Einen großen Anteil am aktiven Gewässerschutz haben immer mehr Initiativen von Organisationen, privaten Anbietern und Vereinen. Müllsammelaktionen finden ständig statt, Anbieter wie „Join-the-Crew“ spezialisieren sich auf nachhaltiges Bootsreisen – von der Packliste bis zum Müllsammeln unterwegs. Vor allem die Bilder von riesigen „Müllinseln“ auf den Weltmeeren erschüttern Bootssportler rund um den Globus. Auch deshalb verzeichnen Müllsammeltage von verschiedenen Organisationen häufig sehr großen Zulauf, wie zum Beispiel jährlich zum Welt-Ozeantag mit der Aufräumaktion von „Not Today“.
Nachhaltigkeit von Skippern, Eignern, Charterern und Crews
Die Sensibilität im Bezug auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit wächst. Auch die Umfrage des ADAC-Skipper Club zu dem Thema zeigte eindrucksvoll, wie sehr den Bootssportlern die Natur am Herzen liegt: 80 % der Befragten gaben an, dass ihnen das Thema Nachhaltigkeit beim Bootfahren wichtig ist. Vor allem der Gewässerschutz liegt den Sportbootfahrern am Herzen. Sie erwarten umweltgerechte Angebote in den Häfen und sind an alternativen Energien und Antrieben sehr interessiert.
Dass der Klimaschutz ein großes Thema bei Menschen ist, die ihre Freizeit auf dem Wasser verbringen, überrascht nur wenig. Kaum eine Freizeitaktivität ist den Elementen so ausgesetzt und von Wind und Wetter abhängig. Die klimatischen Veränderungen und immer häufiger auftretenden Wetterphänomene gehen an Bootsfahrern nicht vorbei. Deshalb ist die Bereitschaft bei Wassersportlern augenscheinlich sehr hoch, aktiv beim Klimaschutz mitzumachen und nachhaltiger zu denken und zu handeln. Letztlich kann kaum etwas auch die Entwicklungen in der Industrie so stark beeinflussen, wie die steigende Nachfrage nach umweltfreundlichen und klimaneutralen Lösungen.