Einhand- und Manöver-Tipps für die Segelyacht

Hallo und Herzlich Willkommen zu den „Einhand- und Manöver-Tipps für die Segelyacht“. Mein Name ist Guido Dwersteg und in den folgenden Kapiteln werde ich versuchen, euch die wichtigsten Grundlagen für das sichere Manövrieren einer Yacht näher zu bringen. Bevor wir so richtig loslegen, hier noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen: Alle beschriebenen Manöver und Verfahren beruhen im Wesentlichen auf meinen persönlichen Erfahrungen mit CARPE DIEM, einer Bavaria 32 Holiday, die mich seit 2009 auf meinen Reisen begleitet. Dabei erhebe ich ausdrücklich keinen Anspruch auf absolute Richtigkeit oder gar schulbuchmäßige Verfahren. Vielmehr basieren die gezeigten Methoden auf einer Mischung aus jahrelanger Praxis, dabei begangenen Fehlern aber auch eigenen Ideen, die ich im Laufe der Zeit entwickelt habe. Unumstößliche Patentlösungen kann und will ich also keine anbieten. Dafür aber Anregungen und Tipps, die Sie beim Umgang mit dem eigenen oder gecharterten Boot unterstützen, vor allen Dingen aber auch Mut zum selbst ausprobieren und weiterentwickeln machen sollen. Denn wie sage ich gerne: „Was funktioniert, ist auch richtig!“. Natürlich immer vorausgesetzt, man beachtet die insoweit geltenden Vorschriften und bringt weder sich noch Dritte in Gefahr. Da ich außerdem die meiste Zeit alleine mit dem Boot unterwegs bin, beschreibe ich die gängigen Manöver in erster Linie für den Alleinsegler. Ungeachtet dessen können die gezeigten Verfahren natürlich aber auch mit – großer oder kleiner – Crew gefahren werden, was die ganze Sache in der Regel sogar noch vereinfacht. Also dann, los geht`s …

Wo kommt der Begriff Einhandsegeln eigentlich her?

Zu Beginn ganz kurz zum Thema „Einhandsegeln“. Wo kommt dieser Begriff eigentlich her ?  Die wohl gängigste Erklärung beruht auf der seemännischen Sicherheitsregel „Eine Hand für sich, und eine Hand fürs Boot“, wonach alle Personen an Bord angehalten werden, mit mindestens einer Hand auf ihre persönliche Sicherheit zu achten, während die andere Pranke für die Bedienung des Bootes gedacht ist. Ist man dann alleine an Bord, verbleibt naturgemäß nur noch „eine Hand“, um das Boot zu fahren. Also im Grunde ganz einfach, wie so vieles beim Segeln.

Das Einhandsegeln an sich kann hingegen schon etwas tricky sein, weshalb sich viele Skipper oft gar nicht erst trauen alleine in See zu stechen. Auch bei mir war das nicht anders. Meine ersten Einhand-Meilen legte ich auf dem allseits beliebten Ijsselmeer zurück und ich kann mich noch gut erinnern, wie ich mit weichen Knien und von Ängsten geplagt aus der Schleuse von Stavoren hinaus aufs offene Wasser fuhr. Bei mir war das damals übrigens auch nicht ganz freiwillig. Viel zu oft hatten meine Freundin oder andere potenzielle Mitsegler keine Zeit und die halbe Saison alleine im Hafen rumstehen wollte ich dann auch nicht. Damit bin ich wahrscheinlich nicht der Einzige, weshalb ich es umso wichtiger finde, euch die „Ur-Ängste“ vor dem Einhandsegeln zu nehmen.  Mich selbst „juckt“ das alleine Hinausfahren heute gar nicht mehr. Im Gegenteil: Ich liebe es regelrecht, nur mit mir, dem Boot und der Natur unterwegs zu sein. Das soll übrigens nicht überheblich klingen, sondern zeigen, dass wirklich jeder mit etwas Übung und Routine single handed auf See glücklich werden kann. Traut euch, es lohnt sich!

Welches Boot ist überhaupt das Richtige zum Einhandsegeln?

Eine wirkliche Faustregel gibt es da meines Erachtens nicht. Zu Beginn der Alleinsegler-Karriere ist ein tendenziell kleineres und damit leicht handlebares Boot sicher eine gute Wahl. Hat man aber erst mal eine gewisse Routine entwickelt, ist es auch kein Problem Boote um die 40 bis hin zu 50 Fuß und mehr einhand und sicher zu bewegen. Auf dem offenen Wasser ist das ohnehin oft nicht sooo problematisch. Geht es hingegen alleine Richtung Hafen, wird es schon etwas fummeliger. Und genau da wollen wir gleich ansetzen.

Was das Boot selbst angeht, so habe ich persönlich keine speziellen Präferenzen. Einzig eine im Cockpit angeschlagene und damit unmittelbar „fahrbare“ Großschot sowie einen vernünftigen elektrischen Autopilot empfinde ich als angenehm und wichtig. Gerade auf modernen Fahrtyachten ist die Großschot nämlich oft über eine Talje irgendwo auf dem Vordeck befestigt, was meines Erachtens nicht nur den Wirkungsgrad der Schot, sondern auch deren schnelle und unkomplizierte Bedienung eher behindert. Ein gut funktionierender Autopilot kann uns außerdem bei den Vorbereitungen sowie der Durchführung der Manöver selbst gut unterstützen und macht das Ganze deutlich einfacher. Was die restliche Deckausrüstung wie Winschen, Klemmen und sonstige Strippen angeht, so findet sich das meiste auch so irgendwie. Übung und Gewohnheit machen hier den Meister.

Ungeachtet dessen sollte man sich vor dem ersten Einhand-Törn über die technischen Details und Eigenarten des Bootes informieren bzw. diese austesten. Da wären beispielsweise die Kielform und der Propeller. Während die Bauart des Kiels Auskunft darüber gibt, wie sich ein Boot auf See und speziell auf engem Raum verhält, ist beim Propeller dessen Drehrichtung und Bauart interessant. Zunächst zum Kiel: Die heutzutage gängigen Yachten verfügen zumeist über einen sogenannten Kurzkiel. „Kurz“ bezieht sich dabei auf die horizontale Ausdehnung des Kiels im Verhältnis zur Schiffslänge. Ein kurzer Kiel ist also im Vergleich zur eigentlichen Länge des Bootes relativ kurz. Bei einem Langkieler hingegen verläuft der Kiel oft über die komplette Länge des Rumpfes, also vom Bugsteven bis zum Ruder. Zwischen diesen beiden Varianten liegt der gemäßigte Langkieler, dessen Finne unter Wasser etwa die halbe Schiffslänge überbrückt. Über die Vor- und Nachteile dieser unterschiedlichen Kielarten könnte man sicher ein eigenes Buch schreiben. Die wohl wichtigsten Unterschiede sind die Kursstabilität auf See sowie die Manövrierbarkeit auf engem Raum. Diese beiden Faktoren stehen quasi im Gegensatz zueinander. Das bedeutet, ein Kurzkieler ist weniger kursstabil, dafür aber bei wenig Platz viel agiler und beweglicher. Der Langkieler steht hingegen für eine hohe Kursstabilität, sorgt dabei aber im Hafen für träge und langwierige Drehbewegungen des Bootes. Der gemäßigte Langkieler liegt sinngemäß genau dazwischen. Heute sind die Kurzkieler wie gesagt eher die Regel. Auch meine CARPE DIEM verfügt über diese Variante und hat damit bei wenig Platz deutliche Vorteile gegenüber einem Langkieler. Auf See hingegen kann man weniger hart an den Wind gehen und auch der Versatz durch Seegang und Wind ist hier deutlicher spürbar. Was wer wie besser findet, bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Ich persönlich stehe auf Kurzkieler und bin auch die meiste Zeit meiner Segler-Laufbahn mit solchen unterwegs gewesen. Die Drehrichtung und Bauart des Propellers gibt uns Auskunft über den sogenannten Radeffekt sowie den Wirkungsgrad der Schraube selbst. Der Radeffekt sorgt je nach Rotationsrichtung der Schraube für einen Versatz des Hecks, den wir bei unseren Manövern natürlich im Hinterkopf haben sollten. Handelt es sich außerdem um einen festen Propeller, kann man zudem von einer schnelleren Schraubenwirkung als beispielsweise bei einem Faltpropeller ausgehen. Auch die Anzahl der vorhandenen Flügel spielt insoweit eine wichtige Rolle. Was aber auch immer euer Boot für euch bereit hält: Macht euch vorher mit den Eigenheiten vertraut, damit es später nicht zu unangenehmen Überraschungen kommt.

Das Richtige Boot für Einhandsegler: Guido Dwersteg setzt auf einen Kurzkiel und den richtigen Propeller.
Einhand-Profi Guido Dwersteg setzt bei seiner Carpe auf eine Kurzkiel und einen 3-Blatt-Faltpropeller mit ordentlicher Kraftreserve.

Welche grundsätzlichen Einflüsse und Dinge beeinträchtigen uns bei Manövern auf engem Raum?

Bevor wir gleich mit dem ersten Manöver beginnen, wollen wir uns kurz mit ein paar grundsätzlichen Dingen des Manövrierens auf engem Raum und unter Maschine befassen.

Welchen Einfluss nimmt der Wind bei Hafenmanövern?

Da wäre als erstes der Wind. Draußen auf See noch unser Freund, kann er im Hafen schnell unser Gegner werden. Bereits beim Einfahren in den Hafen solltet ihr daher genau wissen, woher der Wind bläst und vor allen Dingen wie stark. Dabei hilft entweder der obligatorische Blick zum Verklicker im Topp oder auf die entsprechenden Instrumente sofern vorhanden. Je häufiger ihr das macht, umso besser. Denn zum einen entwickelt sich dadurch ein gutes Gefühl für die einfallende Brise, und zum anderen ändert sich der Einfallswinkel des Windes während der Manöver oft. Beispielsweise wenn ihr die Fahrtrichtung ändert oder in eine Windabschattung geratet. Wisst ihr zu jeder Zeit woher und wie stark der Wind bläst, können wir uns diesen je nach Manöver zunutze machen. Darüber hinaus wissen wir, wohin unser Boot tendenziell vom Wind vertrieben wird und wo wir entsprechenden Leeraum vorhalten müssen. Auch unsere eigene Geschwindigkeit spielt im Zusammenhang mit dem Wind eine wichtige Rolle. Einerseits weil wir bei viel Wind tendenziell mehr Fahrt benötigen, um das Boot sicher und stabil zu manövrieren, aber auch weil der Wind selbst Einfluss auf unsere Geschwindigkeit hat. Die meisten werden wohl schon einmal erlebt haben, wie stark Gegenwind bremsen kann, wohingegen Rückenwind ordentlich von hinten anschiebt. Und noch ein letzter Hinweis: Was in Sachen Wind für uns gilt, gilt natürlich auch für alle anderen Boote die gerade im Hafen unterwegs sind. Seid also auch insoweit möglichst vorausschauend unterwegs.

Welchen Einfluss nimmt der Wind bei Hafenmanövern mit kleiner Crew auf engem Raum?

Welchen Einfluss nimmt der Strom bei Hafenmanövern?

Neben dem Wind kann es insbesondere im Gezeitenrevier oder auch in Flüssen zu spürbaren Auswirkungen durch Strömungen kommen. Zwar sind diese in den meisten Häfen eher schwach ausgeprägt, dennoch sollte man auch hier wachsam sein. Trifft uns der Strom beispielsweise genau von der Seite, werden wir – ähnlich wie bei Seitenwind – in die entsprechende Richtung versetzt und müssen dort tendenziell Raum vorhalten. Gehen Wind und Strom in die gleiche Richtung, ist dieser Effekt sogar noch ausgeprägter. Hier kommt übrigens auch wieder die zuvor erläuterte Kielform ins Spiel, die ebenso Einfluss auf die Abdrift unseres Bootes hat.

Warum sollte ich stets Fahrt im Schiff halten?

Eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für das Manövrieren eines Bootes ist: Fahrt! Denn nur mit Fahrt im Schiff wird das Ruder vom vorbeifließenden Wasser angeströmt und kann so die Fahrtrichtung des Bootes beeinflussen. Das gilt insbesondere bei Rückwärtsfahrt! Während wir in Vorwärtsfahrt das Ruder selbst bei nur sehr langsamer Geschwindigkeit durch einen beherzten Vorwärtsschub des Propellers anströmen können, bedarf es bei Rückwärtsfahrt definitiv einer Bewegung im Schiff. Steht das Boot erst mal, ist es mit dem Manövrieren vorbei. Das Ruder zeigt keinerlei Wirkung mehr und unser Schiff wird von Wind oder Strom zunehmend stark vertrieben. Also haltet möglichst immer Fahrt im Schiff, und sei es noch so langsam.

Um manövrierfähig zu bleiben, sollte stets Fahrt im Schiff gehalten werden.

Welchen Einfluss hat der Radeffekt auf mein Schiff?

Wie bereits zuvor erwähnt, kommt es bei vielen Schiffen, abhängig von der Drehrichtung des Propellers, zu einem Versatz des Hecks, dem sogenannten Radeffekt. Im Grunde ist dieses Phänomen sehr einfach zu verstehen. Denn durch die Drehung des Propellers unter dem Schiff entsteht eine Wassersäule, welche sich um die Achse des Propellers dreht. Diese Säule saugt dabei naturgemäß auf einer Seite des Schiffs Wasser nach unten, während es auf der gegenüberliegenden Seite nach oben geschaufelt wird. So entsteht in gewisser Weise ein Schub bzw. Sog, der das Heck des Bootes in eine bestimmte Richtung versetzt. Die Drehrichtung der Schraube selbst wird übrigens nach der Rotationsrichtung bei Vorwärtsfahrt definiert. Beispiel: Dreht sich die Schraube bei Vorwärtsgas nach links, sprechen wir von einem linksdrehenden Propeller und umgekehrt. Die daraus abgeleitete Faustregel lautet nun: Dreht die Schraube nach links, wird auch das Heck des Bootes bei Vorwärtsfahrt nach links versetzt, bei Rückwärtsfahrt hingegen nach rechts. Mit einer rechtsdrehenden Schraube ist es entsprechend umgekehrt. Auch dieser Effekt kann uns bei unseren Manövern unterstützen oder behindern. So können wir beispielsweise beim längsseits Anlegen mit dem richtigen Wissen um den Radeffekt so manövrieren, dass uns dieser beim Aufstoppen zum Steg hin versetzt. Auch beim Aufstoppen in engen Fahrwassern kann man nun entsprechend mit dem Bug „vorhalten“, um das Boot beim abbremsen mit Rückwärtsgas über den Radeffekt wieder in eine gerade Position „zu ziehen“. Natürlich ist der Radeffekt abhängig vom Schiffstyp, dem Antrieb sowie der Rumpf- und Kielform unterschiedlich stark ausgeprägt. Um den individuellen Versatz eures Bootes einzuschätzen, solltet ihr am besten einfach mal bei ruhigen Verhältnissen und viel Platz entsprechende Test-Manöver fahren.

Der Radeffekt beim Hafenmanöver

Wie wirkt die Drehachse beim Schiff?

Anders als beispielsweise bei einem Auto oder Motorrad, dreht sich der Rumpf eines Bootes nicht um einen Punkt weit hinten, sondern vielmehr um eine Achse etwa in der Mitte des Schiffs. Das führt dazu, dass es beim Abbiegen in eine bestimmte Richtung zu gegenläufigen Schwenkbewegungen von Bug und Heck kommt. Beispiel: Biegen wir mit dem Bug nach Steuerbord ab, schwenkt das Heck zeitgleich nach Backbord aus und umgekehrt. Dadurch wird das Boot sehr „breit“, weshalb besonders in engen Hafengassen oder Fahrwassern Vorsicht geboten ist.

Der Radeffekt beim Hafenmanöver

Wie kann ich mit Leinenarbeit meine Hafenmanöver verbessern?

Gerade bei Einhand-Manövern oder Törns mit kleiner Crew fehlt es oft an den eigentlich notwendigen Händen, um ein Manöver sicher und souverän durchzuführen. Dieses Manko kann man leicht mit Hilfe von sinnvoll eingesetzten Leinen (oft auch im Zusammenhang mit Maschinenwirkung) ausgleichen. Wie das im Einzelfall konkret passieren kann, erklärt sich am besten im Rahmen der folgenden Manöver. Nur dass Ihr es schon mal gehört habt :-). Darüber hinaus solltet Ihr für sichere und stressfreie Hafenmanöver eine weitere Regel verinnerlichen: Alle Leinenmanöver sollten – wenn möglich – immer von Bord aus durchgeführt werden. Soll heißen, die Leinen werden idealerweise vom Boot aus über gebracht (etwa um eine Klampe oder einen Poller) und danach wieder zurück an Bord geführt und vertäut. Dadurch soll unter anderem einem voreiligen Verlassen des noch nicht ausreichend gesicherten Bootes vorgebeugt werden. Das gilt insbesondere bei Einhand-Manövern. Aber auch bei kleiner Crew kann man sich vorstellen was passiert, wenn ein Manöver misslingt, das Boot vom Steg vertreibt und die halbe Crew bereits an Land steht. Von den Risiken beim Übersteigen auf einen rutschigen Steg mal ganz zu schweigen. Außerdem sind die Leinen bei entsprechender Rückführung an Bord in der Regel einfacher und schneller zu handeln. Zum Beispiel beim erneuten Ablegen. Hier kann eine zum Boot zurückgeführte Leine in aller Regel einfach von Bord aus losgeworfen oder zumindest durchgezogen werden. Ist die Leine hingegen fest an Land belegt, bedarf es dazu erneut einer Person, die das Schiff verlässt.

Wie kann ich mit gezielter Leinenarbeit meine Hafenmanöver optimieren?