Elektrische Antriebe für Boote: Wann es sich lohnt.
Stark im Kommen: E-Antriebe
Was noch vor rund 10 Jahren ziemlich exotisch wirkte, gehört heute zum Alltag in den Häfen und auf See. Elektromotoren verbreiten sich immer mehr und die Entwicklung neuer Batteriesysteme und Antriebe nahm in den vergangenen Jahren Fahrt auf. Viele Eigner stehen bei der Neuanschaffung eines Bootsmotors oder gar einer neuen Yacht vor der Frage: Soll ich den Sprung auf einen Elektroantrieb wagen oder besser nicht?
Die Entscheidung hängt von gleich mehreren Faktoren ab. Wir haben die wichtigsten zusammengestellt
Vorteile von Elektromotoren
Elektromotoren sind aus vielerlei Gründen beliebt und besitzen eine Menge Vorteile gegenüber Verbrennungsmaschinen:
- Umweltfreundlich
- Emissionsarm/-frei
- Verschleißfrei
- Wartungsarm, bzw. Wartungsfrei
- Günstiger in der Unterhaltung (kein Benzin Diesel oder Öl notwendig)
- Leicht
- benötigen weniger Platz
- Leise
- Hohes, gleichmäßiges Drehmoment
- Ohne Kuppeln von Vor- auf Rückwärtsfahrt, ideal bei Hafenmanövern wie Aufstoppen
- kein starten oder warmlaufen erforderlich, Leistung ist sofort verfügbar
- Kein Tank, Auspuff- und Kühlanlage notwendig
Das Fahr- und Nutzungsverhalten
Ob ein Elektromotor in Frage kommt, hängt auch vom jeweiligen Fahr- und Nutzungsverhalten ab. Auch wenn es mittlerweile Batteriesysteme gibt, die für sehr lange Strecken genug Laufzeit besitzen, kommen solche meist hochpreisigen Lösungen oft nicht in Frage, vor allem bei älteren Booten. Wichtig ist, dass längere Strecken nur selten mit hoher Geschwindigkeit – zu erreichen sind. Je langsamer man fährt, desto weiter kommt man.
Wer also überwiegend zügig längere Strecken zurücklegt, ist mit einem Diesel oder Benziner sicherlich besser versorgt. Dabei ist jedoch häufig nicht die Entfernung entscheidend, sondern die Durchschnittsgeschwindigkeit, denn mit jedem Knoten mehr Fahrt sinkt die Reichweite. Wer also sowieso lieber langsam dahin gleitet und die zeit auf dem Wasser genießen möchte, sollte sich mit Elektromotoren beschäftigen.
Merke: Um das richtige Verhältnis zwischen Leistung und Geschwindigkeit herauszufinden, lohnt es sich, verschiedene Leistungsstufen eine Weile zu beobachten. Gerade bei Verdrängern ist es meistens nie sinnvoll, den Gashebel auf 100% Leistung auf den Tisch zu drücken. Die Rumpfgeschwindigkeit wird oft schon bei wesentlich weniger Schub erreicht. Alles, was darüber hinaus an Leistung aus den Batterien gezogen wird, bedeutet eine Reduzierung der Reichweite bei unwesentlich mehr Fahrt. Häufig reicht es auch, nur 80% der Rumpfgeschwindigkeit zu fahren, um 50% oder sogar mehr Reichweite zu bekommen. Das hängt immer von den Bedingungen wie Wind, Welle und Strömung ab, soviel der Zuladung, sprich Crewstärke.
Je nach Fahrverhalten ist auch die jeweilige Bauart von Elektromotoren wichtig. Stufenlos regelbare Motoren verfügen meistens über mehr Reichweite, hingegen sind stufenlos regelbare Antriebe gerade bei Hafenmanövern einfacher zu bedienen und während der Fahrt feinfühliger an die jeweiligen Bedingungen anpassbar.
Bei Außenbordmotoren ist die Verlängerung der Reichweite im Gegensatz zu Einbaumotoren meistens sehr einfach, denn die Akkus sind fast immer austauschbar, so dass bei Bedarf ein Ersatzakku zum Einsatz kommen kann.
Das Revier
Ob sich ein elektrischer Antrieb lohnt, hängt natürlich auch vom Fahrtgebiet ab. Binnenreviere und küstennahe Gewässer sind in der Regel, abhängig vom System und der Batteriekapazität, auch für e-Motoren geeignet. Bei strömungsintensiven Gewässern wie Flüsse oder Tidenreviere, sollte immer bedacht werden, dass mit zunehmender Leistung, die abgerufen wird, die Akkulaufzeit signifikant abnimmt. Erwischt man also beispielsweise in der Elbmündung eine gegenläufige Tidenströmung, muss dagegen mit wesentlich mehr Schub angefahren werden. Für solche Fälle sollte also genug Batterie-Kapazität zur Verfügung stehen, um genug Puffer zum Erreichen des nächsten Hafens zu haben. Auch sollte bei der Wahl einer Tagesetappe die Reichweite nicht zu knapp einkalkuliert, sondern immer ausreichend Sicherheitsreserve eingeplant werden. Plötzlich aufziehende Unwetter mit Wind gegenan benötigt mehr Leistung als gewohnt.
Für den Bereich Offshore und die offene See kommt ein E-Antrieb in der Regel nur für Segelyachten in Frage, die unterwegs keine dauerhafte Motorleistung benötigen. Hier gibt es Lösungen, die die Batteriebänke durch Wassergeneratoren, Windgeneratoren oder Photovoltaik die Batterien unterwegs unter Segeln wieder aufladen.
Zum Faktor Revier kommt entscheidend hinzu, dass auf immer mehr Binnenrevieren der Betrieb für Verbrennungsmotoren eingeschränkt wird. Auf dem Chiemsee zum Beispiel dürfen Sportboote nur für Hafenmanöver und bei Gefahr wie Sturmwarnungen (dazu zählt auch Dunkelheit) unter Verbrennern fahren. Dagegen ist der Betrieb von Elektromotoren durchgängig gestattet. Es ist zu erwarten, dass in Zukunft immer mehr Binnenreviere diese Regelungen einführen. Viele Werften stellen sich darauf bereits ein und verbreitern ihr Angebot mit elektrischen Antrieben. Deshalb sollten vor dem Kauf beim zuständigen Wasserschutzamt Informationen zu geltenden oder kommenden Regelungen eingeholt werden.
Leistungsstarke Akkus ©Torgeedo
Das Boot
Einer der, wenn nicht sogar der entscheidende Faktor, ist natürlich das Boot selbst. Zwar kann man durchaus schwere 50 Fuß Motoryachten aus Stahl elektrifizieren, jedoch sind die Kosten – vor allem für die mächtigen Batteriebänke, entsprechend hoch. Generell eignen sich Elektromotoren eher für Segelyachten und -boote, die den Motor nur als Flautenschieber oder für die Hafenmanöver benötigen. Bei Motoryachten, mit denen überwiegend viel Strecke gemacht wird, kommen daher meistens noch immer Verbrenner zum Einsatz. Für kleinere Motorboote, Angelboote und Boote für die Runde nach Feierabend oder am Wochenende kommen elektrische Motoren immer in Frage.
Eine wichtige Rolle kann auch spielen, ob an Bord eventuell Platz für eine Photovoltaik-Anlage ist, die die Batterien auch unterwegs wieder auflädt.
Die Infrastruktur
Ladegeräte benötigen oft sehr viel Power an der Steckdose. Vor allem, wenn in Reihe geschaltete Batterien im Einsatz sind, müssen oft gleich mehrere Ladegeräte gleichzeitig ihr Werk verrichten. Daher ist ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für oder gegen E-Motoren die Infrastruktur im Heimathafen und/oder dem Revier. Sollen die Batterien zum Beispiel über nach am Steg wieder aufgeladen werden, sind Stromautomaten, die mit Euromünzen gefüttert werden müssen, denkbar ungeeignet. Dazu sollte vorher mit dem Hafenbetreiber abgeklärt werden, mit wie viel Ampere der landstrom abgesichert ist. Vor allem Schnelllader benötigen oft sehr viel Strom, der durch die Leitung fließen soll.
Bei Außenbordmotoren stellt sich diese Frage indes seltener. Gerade kleinere Systeme können mühelos mit nach Hause genommen werden und dort die Ladung für den nächsten Ausflug erhalten. Damit ist der Antrieb zusätzlich auch vor Diebstahl geschützt.
Die Kosten
Natürlich ist die Frage aller Fragen oft: Wieviel kostet so ein elektrischer Antrieb. Um dieses Entscheidungskriterium jedoch zu bewerten, lohnt sich nicht nur der Blick auf den Anschaffungspreis, sondern auch auf die laufenden Kosten. Vor allem bei Außenbordern rechnet sich die Anschaffung nach einiger Zeit. Strom zum Aufladen gibt es in vielen Häfen kostenlos oder ist in einer Pauschale schon bereits enthalten. Somit müssen natürlich die Benzinpreise auf Sich gegen gerechnet werden. Dazu entfällt die regelmäßige Wartung, die bei Fachbetrieben auch jedes oder jedes zweite Jahr zu Buche schlägt. Auch kosten für Motor- und Getriebeöl entfallen.
Auch zu beachten: Der Wiederverkaufswert. Elektromotoren sind wegen ihrer Beliebtheit, und weil sie in immer mehr Revieren ohne Alternative sind, im Wiederverkauf sehr hoch. es macht also durchaus Sinn, eine langfristige Kostenrechnung zu machen, wenn die Überlegung einer Neuanschaffung oder Umrüstung ansteht.
Fazit
Ob die neue Yacht einen Elektromotor oder einen herkömmlichen Verbrennungsmotor bekommt, entscheidet sich daher nach Abwägung vieler Faktoren. Tatsache ist, dass sich Elektromotoren und Batterien in den vergangenen Jahren enorm weiterentwickelt haben. Mittlerweile kommen in Europa sogar vollelektrische Autofähren zum Einsatz. Zuverlässigkeit, Laufzeit und Reichweite haben auch durch die enorme Entwicklung neuer Systeme im Automobilbau profitiert, was auch die Kooperation des Starnberger Herstellers Torqeedo mit BMW und der Batterietechnik der I-Reihe beweist. Gab es vor ein paar jahren fast ausschließlich Außenbordmotoren, so finden sich im Markt nun auch viele Innenborder mit untergebauten POD-Antrieben. Die Vorteile elektrischer Antriebe setzen sich immer stärker durch, während Nachteile wie Akkuleistung und Laufzeit immer weniger werden.
Gerade bei der Anschaffung eines neuen Bootes sollte ein E-Motor immer in Erwägung gezogen werden, auch weil in Zukunft sicher mit immer mehr Einschränkungen im Bezug auf Verbrenner zu rechnen ist.