Manövrieren im Hafen
Auf Grundlage der bereits im Kapitel „Grundsätzliches“ angesprochenen Themen, können wir nun damit beginnen, unser Boot im Hafen zu bewegen. Wir wissen also um die Wind- und Stromsituation, kennen die individuellen Auswirkungen des Radeffektes, haben alle Leinen und Fender klargemacht und sind auch über die sonstigen Gegebenheiten des Hafens informiert.
Wie kann ich das Boot auf der Stelle „parken“?
Wie wir ja bereits wissen, ist ein Boot nur in Fahrt manövrierfähig. Nun gibt es aber trotzdem immer wieder mal Situationen, in denen man das Boot nicht permanent in Fahrt halten kann oder will. Sei es, wenn man beispielsweise vor Brücken oder Schleusen warten muss oder die Fender und Leinen trotz aller Sorgfalt erst im Hafen klar gemacht werden können. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten, um das Boot zu „parken“:
1. Das Boot mit dem Bug in den Wind stellen: Bei der ersten und vermeintlich einfacheren Variante des „Parkens“, stellen wir das Boot langsam mit dem Bug in den Wind und lassen uns danach vom jetzt frontal einfallenden Wind langsam bremsen. Alternativ kann man das Boot auch mit der Maschine aufstoppen, wobei dann wieder die Wirkung des Radeffektes zu beachten ist. Wie bereits zuvor erläutert, ist es mit der Manövrierbarkeit vorbei, sobald unser Boot keine Fahrt mehr durchs Wasser macht. Es dauert also nicht lange, bis der Bug soweit in eine Richtung vertrieben ist, dass der Wind beginnt uns zu einer Seite wegzudrücken. Dieser Abdrift können wir durch entsprechende Ruderlage in die Gegenrichtung und einem kurzen beherzten Vorwärtsschub mit der Maschine entgegenwirken. Durch das nur sehr kurze Gasgeben nehmen wir dabei nur geringfügig Fahrt auf und werden vom nach wie vor frontal einfallenden Wind schnell wieder abgebremst. Dieses Korrekturmanöver ist übrigens auch gut geeignet, wenn das Boot einmal quer von Wind oder Strom vertrieben wird und wir uns mit Ruderlage und Gasschub wieder ausrichten wollen.
2. Das Boot mit dem Heck in den Wind stellen: Die zweite und aus meiner Sicht bessere Möglichkeit das Boot zu parken, ist das Heck in den Wind zu stellen. Das Boot steht so stabiler, wird aber durch die jetzt größere Angriffsfläche am Heck nach vorne getrieben. Dem kann man durch rückwärtiges einkuppeln der Maschine entgegenwirken. Auch dabei ist der etwaige Radeffekt aufs Heck zu berücksichtigen.
Was muss ich beim rückwärts fahren mit dem Boot beachten?
Gerade in engen Häfen und Marinas ist es außerdem wichtig, sicher und kontrolliert rückwärts fahren zu können. Und dabei ist nicht nur das Fahren selbst gewöhnungsbedürftig, sondern auch die entsprechenden Manöver zum Richtungswechsel.
1. Von Vorwärts- in Rückwärtsfahrt wechseln: Beim Aufstoppen aus Vorwärtsfahrt solltet ihr abhängig vom Radeffekt eures Boots den Bug ein wenig in die Versatzrichtung des Hecks vorhalten. Dadurch soll der absehbare Heckversatz „ausgeglichen“ werden, um das Boot so in einer möglichst geraden Position zu halten. Beispiel: CARPE DIEM hat wie alle Bavarias eine linksdrehende Schraube. Das bedeutet, der Propeller dreht sich bei Vorwärtsfahrt nach links und versetzt dabei auch das Heck des Bootes tendenziell nach Backbord, gerade wenn wir nur langsame Fahrt machen. Beim Aufstoppen arbeiten wir hingegen mit Rückwärtsgas. Der Propeller dreht jetzt also nach rechts und versetzt demnach auch unser Heck nach rechts. Aufgrund des bekanntlich mittigen Drehpunkts eines Bootes (Stichwort: Drehachse), wird dabei der Bug in die entgegengesetzte Richtung versetzt. Also Heck nach rechts und Bug nach links. Würden wir während des Aufstoppens also einfach weiter geradeaus fahren, stünden wir im Ergebnis schräg in der Boxengasse, was das weitere Manövrieren erschweren kann. Halten wir hingegen während des Richtungswechsel mit dem Bug in die Versatzrichtung vor, „zieht“ sich das Boot durch den Radeffekt wieder in einer gerade Position.
2. Von Rückwärts- in Vorwärtsfahrt wechseln: Beim Wechsel von Rückwärts- in Vorwärtsfahrt machen wir es dann genau umgekehrt. Beispiel: CARPE DIEMS linksdrehende Schraube rotiert bei Rückwärtsfahrt rechts herum. Zum Aufstoppen geben wir jetzt Schub nach vorne, wobei sich der Propeller wieder nach links dreht. Dementsprechend haben wir also beim Richtungswechsel aus Rückwärtsfahrt einen Radeffekt/Heckversatz nach links, während sich der Bug zeitgleich nach rechts bewegt. Halten wir den Bug jetzt also nach links vor, können wir die absehbare Drehbewegung ausgleichen und unser Boot nimmt möglichst gerade Vorwärtsfahrt auf.
3. Wind und Strom beachten: Neben dem Radeffekt können natürlich auch Wind und ggf. Strom für einen Versatz sorgen, der das weitere Manövrieren erschwert. Wie wir zwischenzeitlich verinnerlicht haben, ist diese Abdrift am größten, wenn das Boot keine Fahrt mehr durchs Wasser macht (Stichwort: Fahrt). Ergo genau dann, wenn wir für den Fahrtrichtungswechsel aufgestoppt haben. Bei viel Wind bzw. Strom solltet ihr also immer ausreichend Raum für die absehbare Abdrift vorhalten. Bei einem Versatz durch Wind spricht man insoweit übrigens von sogenanntem Leeraum, also der von uns aus windabgewandten Fläche.
4. Wind und Strom plus Radeffekt: Auch im Hinblick auf den Radeffekt selbst, können Wind und Strom eine wichtige Rolle spielen. Beispiel: Wird beim Aufstoppen aus Vorwärtsfahrt unser Heck nach rechts versetzt und weht zeitgleich eine spürbare Brise von Steuerbord, wird der Bug nun umso deutlicher nach links versetzt als bei wenig Wind. Bläst der Wind hingegen von Backbord, wird dieser den Linksschwenk des Bugs beim Aufstoppen eher bremsen, sodass wir jetzt den Bug tendenziell weniger stark vorhalten sollten.
5. Ruderdruck: Sobald wir rückwärts in Fahrt sind, ist es außerdem sehr wichtig, dass Steuerrad bzw. die Pinne gut festzuhalten, da der Druck auf das jetzt unmittelbar vom Wasser angeströmte Ruder ungleich höher als noch bei Vorwärtsfahrt ist. Dabei gilt, je schneller die Rückwärtsfahrt, umso höher der Druck auf das Ruder.
6. Ausschwenkender Bug: Die aufgrund der mittigen Drehachse eines Bootes gegenläufigen Schwenkbewegungen von Bug und Heck, sind gerade bei Rückwärtsfahrt sehr ausgeprägt. Während wir die Schwenkbewegungen bei Vorwärtsfahrt noch gut kontrollieren können, unterschätzt man bei Rückwärtsfahrt die mitunter starken und schnellen Schwenkbewegungen des Bugs oft. Agiert hier also besonders vorsichtig.
Ruderlage beachten
Eine häufige Ursache für misslungene Hafenmanöver ist neben der nicht ausreichenden Berücksichtigung von Wind und Radeffekt auch eine falsche Ruderlage. Denn viele Skipper handeln nach der Devise: Gas-Richtung ist gleich Steuer-Richtung. Soll heißen, bei Vorwärtsgas wird Ruder für Vorwärtsfahrt gelegt und umgekehrt. Gerade beim Rangieren im Hafen entspricht die GAS-Richtung aber oft noch gar nicht der FAHRT-Richtung des Bootes. Wird dann zu früh Ruder in die falsche Richtung gelegt, fährt das Boot in die genau entgegengesetzte anstatt der gewünschten Richtung. Beispiel: Nach dem Ablegemanöver fahren wir rückwärts aus der Box und legen dabei Ruder nach Backbord. Bevor es nun hinter uns zu eng wird, kuppeln wir die Maschine kurz aus und geben anschließend Vorwärtsgas. Das Boot fährt dabei allerdings nach wie vor RÜCKWÄRTS. Dementsprechend bleibt das Ruder also weiterhin Backbord stehen !! Erst wenn das Schiff zum Stillstand gekommen ist und Vorwärtsfahrt aufnimmt, legen wir Ruder nach Steuerbord, um nun aus der Hafengasse zu manövrieren.
Wenden auf engem Raum
Immer wieder kann man in Häfen beobachten, wie Bootsführer Probleme beim Wenden in engen Gassen haben. Das hat oft mit der zuvor beschriebenen falschen Ruderlage, aber auch der unterschätzten Abdrift durch Wind oder Strom zu tun. Gerade für moderne Kurzkieler mit ausgeprägtem Radeffekt gibt es aber eine gute Lösung, um diese Probleme zu vermeiden:
- Bevor wir das Manöver fahren, ist es auch hier wichtig zu wissen, welche Drehrichtung unser Propeller hat. Diese Information ist meist aus den Schiffsunterlagen bzw. dem Motorhandbuch zu entnehmen. Findet ihr die entsprechenden Angaben nicht, empfehle ich euch auf freiem Wasser zu testen, in welche Richtung das Heck bei Aufnahme von Vorwärtsfahrt verschoben wird. Geht der Versatz nach links, habt ihr eine linksdrehende Schraube und umgekehrt.
- Die daraus abgeleitete Faustregel für eine Wende auf engem Raum lautet nun: „Dreht die Schraube nach links, wenden wir auch über links bzw. über rechts bei einem rechtsdrehenden Propeller.“ Mit CARPE DIEMS linksdrehender Schraube fahren wir die Wende über links.
- Bei der Anfahrt zur Wende halten wir deshalb zunächst etwas rechts vor. Lasst dabei aber auf der rechten Seite noch so viel Platz, dass das beim Wenden ausschwenkende Heck (Stichwort: Drehachse) genug Raum hat.
- Darüber hinaus benötigen wir für das Manöver etwas Schwung, also nicht zu langsam anfahren.
- Haben wir die Position für unsere Wende erreicht, nehmen wir Gas weg und legen das Ruder hart Backbord. Der Bug biegt nun entsprechend stark nach links ab, während das Heck nach rechts ausschwenkt.
- Sobald das Boot in der Linksbewegung ist, kuppeln wir die Maschine kurz aus, bevor wir nun rückwärts einkuppeln und bereits etwas Gas geben.
- WICHTIG: Das Ruder bleibt während des ganzen Manövers hart Backbord stehen !!
- Mit dem Rückwärtsgas verlangsamen wir unsere Bewegung nun soweit, dass wir keine Vorausfahrt mehr machen, sondern das Boot möglichst nur noch auf der Stelle dreht. Der Radeffekt schiebt während dieses quasi rückwärts Aufstoppens das Heck des Bootes nach rechts und unterstützt damit die Drehbewegung zusätzlich.
- Sobald das Boot keine Vorausfahrt mehr macht, kuppeln wir die Maschine wieder aus. Für das Manöver ist es nämlich ebenso wichtig, keine Rückwärtsfahrt aufzunehmen.
- Lasst das Boot nun so weit wie möglich auf der Stelle drehen bis die Drehbewegung nahezu zum Erliegen gekommen ist. In der Regel ist der Bug dann schon so weit nach links geschwenkt, dass ihr mit einem kurzen beherzten Gasschub auch den Rest der Drehung anstoßen könnt. Auch hierbei lassen wir das Ruder die ganze Zeit hart Backbord stehen, bis wir wieder geradeaus aus der Gasse fahren können.
Und noch ein Wort zum Wind: Natürlich müssen wir auch bei diesem Manöver die Windrichtung sowie die Windstärke beachten. Denn je stärker der Wind im Hafen weht, umso größer ist auch sein Einfluss auf das anstehende Manöver. Im Grunde gibt es dabei nur zwei denkbare Szenarien. Entweder der Wind hilft uns oder erschwert das Wenden. Weht der Wind zu stark aus einer ungünstigen Richtung, kann das Manöver unter Umständen so nicht durchgeführt werden.
Das wars soweit zu den Hafenmanöver-Tipps. Ich weiß, dass ist jetzt alles sehr viel auf einmal und klingt mitunter sehr kompliziert. Lasst es einfach erst mal sacken. Ich verspreche, ihr werdet es schon bald geschnallt haben :-).
Nützliche Produkte zum Thema: |
---|
HD-Film: Einhand- und Manövertipps, Guido Dwersteg, Preis: 19,95 € inkl. MwSt |