Festmacherleinen für Schiffe und Boote: Was zu beachten ist
Festmacherleinen sind für die Sicherheit auf Booten enorm wichtig. Unser Ratgeber klärt alles Wichtige zu Material, Abmessungen, Pflege und dem richtigen Einsatz von Festmachern.
Seit der verheerenden Sturmflut an der Ostseeküste im Oktober 2023 sind Festmacherleinen und Tauwerk ein großes Thema. Yachten haben sich bei Sturm, hohem Wasserstand und Schwell in den Häfen losgerissen und trieben durch die Häfen. Allein in Kiel-Schilksee sollen mehr als 35 Yachten gesunken sein, andere sind schwer beschädigt. Auf den Fotos oft zu sehen: gerissene oder durchgescheuerte Festmacher. Viele Boote sind aber auch deshalb beschädigt worden, weil die Heckdalben wegen des hohen Wasserstands teilweise überspült wurden und die Achterleinen drüber wegrutschten.
Für die vielen gesunkenen Yachten gibt es viele Gründe. Teilweise haben sich ganze Steganlagen losgerissen und sind mit den dort vertäuten Booten auf andere Stege und Yachten gedrückt worden. Schlechte, falsche Festmacher oder unzureichend belegte Yachten als den einen oder hauptsächlichen Grund für die vielen Schäden anzuführen, würde der Sache also nicht gerecht werden. Dennoch fragen sich viele Eigner, wie sie ihre Boote und Yachten vor solchen Wetterextremen künftig sichern können, welche Festmacher die Richtigen sind, wie hoch die Bruchlast sein muss und was beim Thema Leinen sonst noch zu beachten ist.
Wir haben das Thema Festmacherleinen aufgegriffen und erklären alles rund ums Thema Festmacher und Tauwerk.
Arten von Festmachern
Festmacherleinen sind für jedes Boot und die Sicherheit enorm wichtig, um das Boot am Steg oder an der Pier sicher vertäuen und gegen abtreiben sichern. Sie bestehen aus robusten Kunststofffasern. Im Gegensatz zu Tauwerk wie Fallen und Schoten verfügen Festmacherleinen über ein gewissen Maß an Reck, also einer Dehnfähigkeit. Dehnung ist deshalb gewollt und wichtig, damit die Beschläge an Bord und die Leinen selbst bei Schwell im Hafen durch starkes Rucken und ziehen nicht zu sehr belastet werden.
Festmacher sollten sich stets in ausreichender Zahl und in der richtigen Länge an Bord befinden. Verschiedene Anlegesituationen, Boxengrößen und Belegmöglichkeiten erfordern oft Flexibilität im Bezug auf die Längen und auch auf die Anzahl der Leinen. Oftmals sichern zusätzlich ausgebrachte Festmacher das Boot gegen widrige Bedingungen. Auch die Stärke sollte passend zur Bootsgröße und zum Bootsgewicht gewählt werden, siehe den Abschnitt „Bruchlast“.
Man unterscheidet bei Festmacherleinen drei verschiedene Arten:
- Geschlagenes Tauwerk
- Quadratgeflecht
- Kern-Mantel-Geflecht
Geschlagenes Tauwerk
Wird oft auch gedrehtes Tauwerk genannt. Mehrere, umeinander gedrehte Kardeele. Als Minimum sollten sie dreischäftig sein, also aus drei ineinander verdrehten Seilen bestehen. Geschlagenes Tauwerk findet man häufig auf klassischen Yachten, weil es sich dabei um eine sehr traditionelle Herstellungsweise handelt. Geschlagene Festmacher sind günstig, verfügen über eine hohe Dehnbarkeit und sind leicht zu spleißen. Allerdings können sich hier nach einer Weile Kinken (Verdrehungen) bilden.
Quadratgeflecht
Beim Quadratgeflecht werden acht Kardeele eingesetzt und umeinander gedreht. Sie werden auch als Squareleinen bezeichnet. Squareleinen sind sehr elastisch, geschmeidig und robust. Nachteil: Beim Quadratgeflecht kommt es häufig dazu, dass einzelne Fäden gezogen werden.
Kern-Mantel-Geflecht
Kern-Mantel-Geflecht zeichnet sich durch eine hohe Robustheit aus. Sie bestehen aus zwei geflochtene Leinen: einem Hohlgeflecht als Mantel und einem robusten, geflochtenen Kern. Der Mantel besteht in der Regel aus einem geschmeidigen Material, während der Kern robust ist. Damit soll erreicht werden, dass der äußere mantel nicht von Klemmen und Beschlägen beschädigt wird. Die Elastizität ist konstruktionsbedingt meistens etwas geringer als bei gedrehtem Tauwerk, hängt aber stark vom Material ab.
Aber nicht nur in der Herstellungsweise, sondern auch beim Material gibt es viele unterschiedliche Fasern, die für Festmacherleinen geeignet sind. Hier handelt es sich fast immer um Kunststoff-Fasern, die zum Einsatz kommen:
- Festmacher aus Polyester
- Festmacher aus Polyamid
- Festmacherleinen aus Polypropylen
- Festmacher aus Hanf oder Sisal
Festmacher aus Polyester
Polyester ist das Material, welches bei der Herstellung von Festmacherleinen am häufigsten vorkommt. Polyester ist besonders UV-beständig, sehr griffig, scheuer- und bruchfest und günstig. Da die Dehnbarkeit – je nach Ausführung – geringer ist als bei vielen anderen Vergleichsmaterialien, daher sollten Polyesterleinen immer etwas länger sein. Ruckdämpfer eignen sich als zusätzliche Dehnungsmöglichkeit.
Festmacher aus Polyamid
Polyamid ist sehr dehnbar und bietet somit mehr Reck. Der Nachteil besteht darin, dass Festmacher aus Polyamid sehr „saugfähig“ sind, also viel Wasser in die Faser eindringt. Dadurch bedingt werden die Leinen schnell steif und brüchig. Polyamid eignet sich daher vor allem dann, wenn sehr kurze Leinen zum Einsatz kommen die sehr dehnbar sind.
Festmacherleinen aus Polypropylen
Polypropylen-Leinen sind als Festmacher vor allem deshalb beliebt, weil sie schwimmfähig sind. So kann vermieden werden, dass die Festmacher beim Manövrieren zum Beispiel in den Propeller des Schiffsantriebes gelangen. Allerdings ist die Haltbarkeit von Polypropylen eingeschränkt, weil das Material empfindlich gegen UV-Strahlung und Abrieb ist und die Bruchlast geringer als zum Beispiel bei Polyester. Deshalb müssen Polypropylen §dicker“ sein, also eine höhere mm-Stärke besitzen und nur dann eingesetzt werden, wenn der Liegeplatz sehr geschützt ist.
Festmacher aus Hanf oder Sisal
Auch wenn Naturfasern als Festmacherleinen bei Besitzern von klassischen Yachten und Oldtimern wegen der Optik beliebt sind, kommen Naturfasern kaum noch zum Einsatz. Als Ersatz bieten sich hier Polyester-Festmacher an, bzw. Mischfasern aus Polyester und Polypropylen, die so hergestellt werden können, dass sie Naturfasern täuschend ähnlich aussehen.
Länge, Durchmesser und Bruchlast von Festmacherleinen
Festmacherleinen sollten immer passend zum jeweiligen Boot dimensioniert sein. Manche Eigner tendieren zur Annahme „je dicker, desto besser und sicherer“. Das ist aber grundsätzlich aus zwei Gründen falsch. Zum einen verfügen zu groß dimensionierte Leinen nicht über die erforderliche Elastizität, denn um genug Reck zu haben, brauchen die Leinen ein entsprechendes Gewicht, welches an ihnen zieht.
Sind also auf einem kleinen, leichten Kleinkreuzer 24mm-Festmacher angebracht, schafft es das Bootsgewicht nicht, die Leinen zu dehnen – mit der Folge, dass die Beschläge wie Klampen an Bord übermäßig belastet werden. Zum anderen gibt es bei Festmachern mit zu großem Durchmesser oft an Bord gar nicht die Möglichkeit, ordentliche und sichere Belegknoten zu binden, weil die Klampen zu klein sind, um solch dicke Leinen aufzunehmen. Daher sollten Leinen stets passend zur Bootslänge und zum Bootsgewicht ausgesucht werden.
Als ungefähre Faustregel, um den passenden Durchmesser der Festmacherleinen zu ermitteln, eignet sich eine simple Formel:
Bootslänge in m + 2 = Durchmesser in mm
Das bedeutet, dass ein 10 Meter langes Boot mit 12mm (10+2=12) starken Festmachern passend ausgestattet ist. Diese Formel bezieht sich jedoch auf Polyester Leinen. Polypropylen hat eine geringere Bruchlast, so dass Leinen aus diesem Material stets so um die 30-40% dicker sein sollten. Das 10 Meter-Boot benötigt also bei Polyester 12mm und bei Polyproplen 16 mm. Und ein weiterer Faktor spielt eine Rolle: das Bootsgewicht. Ist ein Boot bauartbedingt deutlich schwerer als der vergleichbare Durchschnitt in der Bootsgröße, sollte lieber auf einen stärkeren Durchmesser zurückgegriffen werden.
Auf den Webseiten der namhaften Hersteller sind die Angaben zu den Bruchlasten der jeweiligen Leinen aufgeführt.
In der nachfolgenden Tabelle haben wir als Anhaltspunkt die erforderlichen Leinenstärken nach Material je Bootsgröße aufgelistet (ohne Gewähr)
Bootslänge (Meter) | Polyester | Polyamid | Polypropylen |
---|---|---|---|
08 m | 10 mm | 8-10 mm | 14 mm |
10 m | 12 mm | 10-12 mm | 16 mm |
12 m | 14 mm | 12-14 mm | 18 mm |
14 m | 16 mm | 14-16 mm | 20 mm |
16 m | 18 mm | 16-18 mm | 22 mm |
18 m | 20 mm | 18-20 mm | 24 mm |
20 m | 22 mm | 20-22 mm | 26 mm |
Welche Länge für Festmacherleinen?
An Bord sollten sich mindestens 4 Leinen befinden, je zwei für den Bug- und zwei für den Heckbereich. Unsere Empfehlung ist jedoch, zwei lange Leinen in der Backskiste bereitliegen zu haben, denn je nach Anlegesituation, Hafen und Wetter kann das Ausbringen zusätzlicher Festmacher erforderlich sein, um zum Beispiel eine lange Spring zu legen oder zusätzliche Sicherungsleinen auszubringen. Im Fall der Sturmflut auf der Ostsee hat es sich gezeigt, dass Boote, die mit zusätzlichen und langen Leinen doppelt gesichert wurden, eine bessere Chance hatten, die Sache schadlos zu überstehen und sich nicht loszureißen.
In der Praxis hat sich folgende Faustregel bewährt, um die richtige Länge an Festmachern zu ermitteln:
Zwei mal anderhalbfache Bootslänge und zwei mal in Bootslänge, oder vier mal anderthalbfache Bootslänge
Diese Auswahl hat sich als Standard bewährt. Zur Sicherheit sollten sich noch mindestens zwei Leinen in anderthalbfacher Bootslänge an Bord befinden. Wie jedoch die Sturmflut gezeigt hat, können auch viel zusätzliche Leinen durchaus sinnvoll sein.
Festmacherleinen: Haltbarkeit und Pflege
Wie lange Festmacherleinen halten, hängt von zwei Faktoren ab:
- Beanspruchung
- Material
Manche Hersteller sprechen davon, dass Polyesterleinen zwischen fünf und zehn Saisons halten. Dieser Zeitraum ist allerdings nur ein ungefährer Hinweis, weil vor allem die Art und Intensität der Benutzung entscheidend ist, wie die Lebenszeit von Festmacherleinen ist. Generell gilt hier, was für alle sicherheitsrelevanten Dinge an Bord gilt: regelmäßige Kontrolle.
Insbesondere
- Gerissene Kardeele
- Scheuerstellen (Schamfilstellen)
- und schadhafte Fasern
können bei Belastung zum Bruch einer Leine führen, deshalb sollten die Festmacher regelmäßig, mindestens vor und nach der Saison eingehend kontrolliert werden.
Um die Lebensdauer zu erhalten, sollten die Leinen regelmäßig gereinigt werden. Vor allem Salzwasser macht sie auf Dauer brettig und steif, wodurch die Fasern schaden nehmen können. Manche Segelmachereien und Servicedienstleister bieten die Reinigung an, es ist aber auch möglich, Festmacher zu Hause, zum Beispiel in einer Badewanne in etwas Seifenwasser einzuweichen und anschließend mit klarem Wasser zu spülen. In der Saison sollten steif gewordene Festmacher ebenso ordentlich mit sauberem Wasser aus der Leitung gespült werden, oder in einer Pütz mit Klarwasser eingeweicht und anschließend gespült und getrocknet werden.
Sauberes in Buchten aufschießen oder andere zweckmäßige Lagerung an Bord helfen zusätzlich, Leinen zu schonen und die Lebensdauer zu verlängern.
Wichtig: Wenn einzelne Kardeele gebrochen sind, der Mantel durchgescheuert ist oder sonstige Zeichen von Materialermüdung oder Beschädigungen zu erkennen sind, sollten die Festmacher sofort durch neue oder intakte Leinen ersetzt werden. Ersatz sollte auch nur aus geeigneten Festmachern bestehen. Alte, nicht mehr benötigte Schoten oder Fallen besitzen keine Dehnung und sind daher ungeeignet.
Tipps zum sicheren Festmachen: Das Boot sicher vertäuen
Egal, wie und wo angelegt wird und welche Festmacherleinen zum Einsatz kommen, gilt eine unter Seeleuten berechtigte und immer gültige Regel:
Auch wenn Du Dein Boot nur kurz verlässt, sichere es immer so, als würde ein Sturm aufziehen
Die Sturmflut an der Ostsee hat stellenweise gezeigt, dass einige Boote nur unzureichend festgemacht waren. Teilweise waren die Segel noch angeschlagen, Vorsegel nur aufgerollt und kaum gegen entrollen gesichert, Leinen wurden nur locker befestigt, waren zu dünn oder im schlechten Zustand. An vielen Booten wurden die Vorleinen am Steg nur um die Klampe geführt, gingen zurück an Bord und wurden dort belegt.
Das führte dazu, dass das Hafenpersonal vom Steg aus die Leinen nicht an die Wasserstände anpassen konnte. In diesem Fall wäre es sogar am besten gewesen, beide Ende mit Belegknoten festzumachen, sowohl an Bord als auch am Steg, denn wenn das Wasser so stark ansteigt, dass der Steg unter Wasser ist, kann in diesem Falle noch an Bord die Länge reguliert werden, zum Beispiel vom Dingi aus.
12 Tipps zum sicheren Festmachen
Hier einige Tipps zum sicheren Festmachen von Booten und Yachten gegen widrige Bedingungen:
- Immer nur intakte Festmacher verwenden
- Bei wechselnden Wasserständen. Am Steg auf der Klampe belegen, um dem Hafenpersonal zu ermöglichen, die Längen anzupassen. Sind Heckdalben (Pfähle) vorhanden, die Leinen mit einem sich bekneifenden Knoten (z.B. Stopperstek) befestigen. Leinen am besten immer in Deckshöhe am Pfahl befestigen. Je länger die Leinen sind, desto geringer ist die Chance, dass sie bei Hochwasser über den Dalben rutschen
- Zusätzliche Leinen: Wenn Schwerwetter angesagt ist, zusätzliche Leinen ausbringen. Um das Boot zum Beispiel zusätzlich zum Achterdalben zu sichern kann auch eine lange Leine um den Dalben herumgeführt werden und dann vorn am Schiff oder auf der Mittelklampe zu belegen. So wird das Boot davon abgehalten, gegen den Steg zu prallen, auch wenn die Achterleine brechen sollte
- Zusätzliche Leinen zur Sicherung nach Möglichkeit an unterschiedlichen Stellen an Bord belegen, damit die Lasten verteilt werden.
- Im Falle von Starkwind und Schwell kann das Boot auch zusätzlich seitlich gesichert werden, zum Beispiel an querstehenden Dalben oder falls Sorgleinen gespannt sind.
- Werden die Achterleinen über kreuz zu den Heckdalben geführt, mindert das seitliche Bewegungen des Achterschiffes. Außerdem werden die Leinen damit länger, haben mehr Reck und wandern nicht so schnell über die Pfähle, wenn das Wasser steigt
- Reitgewichte wie Ketten etc. können verhindern, dass die Leinen mit steigendem Wasserstand nach oben wandern und über die Pfähle rutschen
- Vorleinen am Steg mit Kopfschlag und etwas Reserve belegen, ebenfalls an Bord mit Knoten und Reserve. So kann im Notfall sowohl vom Steg aus als auch an Bord reguliert werden
- Kopfschläge/Belegknoten sauber ausführen. Oft um die Klampe gewickelte Leinen lassen sich unter Zug meistens nur schwer lösen und nachführen
- Scheuerstellen vermeiden: Leinen direkt zum Boot/Steg/Dalben führen um zu verhindern, dass die Leinen schamfilen
- Spleiß statt Knoten: Die Bruchlast von Festmachern wird an den Knoten teilweise halbiert. Ein gespleißtes Auge hält immer besser als ein geknotetes
- Um die Leinen zu entlasten, sollten nicht benötigte und windanfällige Aufbauten wie Kuchebude oder Sprayhood entfernt werden. Segel sollten möglichst abgeschlagen werden, zumindest aber mit Zeisingen und Tampen gut gesichert. Roll-Vorsegel sollten bei angekündigtem Sturm, oder wenn das Boot längere Zeit steht, abgeschlagen werden. Auch Vorsegel in Persenningen sind anfällig bei Starkwind und belasten das Material.