Rettungswesten: Was die Wartungsintervalle beeinflusst.
Wartung von Rettungswesten
Automatische Rettungswesten benötigen in der Regel alle zwei Jahre eine grundlegende Wartung und Prüfung. In den meisten Fällen wird auf Zustand, Dichtigkeit und Funktion überprüft, sowie die Auslösetablette ausgetauscht. Im gewerblichen Einsatz und der internationalen Seeschifffahrt (SOLAS) sind diese Intervalle sogar alle zwölf Monate verpflichtend vorgesehen. Regelmäßige Wartung dient nicht nur der Sicherheit, sondern auch, um die Lebensdauer, die laut Empfehlung beim Fachverband Seenotrettungsmittel (FSR) und allen FSR-Mitgliedern auf zehn Jahre begrenzt ist, zu erreichen. Die Lebensdauer wird auch vom Gesetzgeber begrenzt, der den Herstellern mit der EU-Verordnung für persönliche Schutzausrüstungen eine definitive, begrenzte Angabe der Lebensdauer sogar vorschreibt.
Soweit die Theorie und die Vorschriften. In der Praxis kann das alles wiederum ganz anders aussehen. In der gewerblichen und internationalen Seeschifffahrt werden die eingesetzten Westen nicht selten in wesentlich kürzeren Abständen gewartet. Denn je nach Fahrtgebiet und Einsatz werden sie teilweise viel stärker als im Durchschnitt beansprucht. Benjamin Bernhardt, Geschäftsführer der Marke SECUMAR, bestätigt: „Manche unserer Kunden haben ein Wartungsintervall von sechs Monaten und schreiben darüber hinaus weitere Überprüfungen innerhalb dieses Zeitraums vor. Diese Risikobewertung, im BG-Jargon „Gefährdungsbeurteilung“ genannt, ist einerseits verpflichtend vorgeschrieben, damit ein Versicherungsschutz der Arbeitnehmer besteht. Andererseits ist sie für Arbeitgeber auch eine Haftungsbegrenzung.“
Was für die Berufsschifffahrt gilt, sollte auch der Freizeitskipper oder Sportschiffer beachten. Denn Wartungsintervalle wie Lebensdauer hängen letztlich von der Beanspruchung ab. Bei „normaler“ Benutzung, also dem Urlaubstörn und der üblichen Fahrten während der Saisons, sind die zwei Jahre in den meisten Fällen ein angemessener Zeitraum. Für Vercharterer oder bei überdurchschnittlicher Benutzung und auch in bestimmten Revieren ist es in manchen Fällen ratsam, die Wartung in kürzeren Zeiträumen durchführen zu lassen.
Die Wartungsintervalle kann man durchaus mit der TÜV-Untersuchung bei Kraftfahrzeugen vergleichen: Zwar wird alle zwei (bzw. drei) Jahre der technische Zustand überprüft, aber das bedeutet nicht, dass in der Zwischenzeit keine Defekte auftreten können. Letztlich sind nicht die Wartungsintervalle oder die vom Hersteller angegebene Lebensdauerbegrenzung entscheidend, wie der Zustand einer Weste ist, sondern die Intensität der Benutzung sowie die Beanspruchung. Und da spielen sehr viele Faktoren eine Rolle. Man sollte also nicht nur auf die oft verbauten Indikatoren achten, die die Funktion der Auslösemechanik anzeigen, sondern auch regelmäßig die Westen auf Spuren starker Beanspruchung kontrollieren – und im Zweifel die Wartung vorziehen und die Weste zu einem zugelassenen Wartungsbetrieb geben.
Was kann die Wartungsintervalle und die Lebensdauer einer Rettungsweste beeinflussen?
Mechanische Belastung
Durch Lagerung und Benutzung werden Rettungswesten unterschiedlich beansprucht. Durch viel Bewegung und Reibung (Scheuern) können die Westen starken mechanischen Belastungen ausgesetzt sein. Erster Indikator für eine überdurchschnittliche Beanspruchung ist in der Regel die textile Schutzhülle. Zeigen sich deutliche Scheuerstellen oder gar Löcher, kann das ein Zeichen dafür sein, dass auch das Innenleben eventuell beschädigt sein kann. Schutzhüllen dienen zwar genau zum Schutz der innenliegenden Komponenten einer Rettungsweste, wie Auslösemechanik oder Schwimmkörper, können jedoch nicht alle mechanischen Belastungen fernhalten. Bei optischen Abnutzungsstellen an der Außenhülle sollte daher in jedem Falle auch der Schwimmkörper einer Dichtigkeitsprüfung unterzogen werden. Die heute gängigen Modelle haben hierfür ein Mundventil, an dem der Schwimmkörper aufgeblasen und entlüftet werden kann. Bei der Gelegenheit sollte auch die Auslösevorrichtungen kontrolliert werden.
Salzwasser, Gischt und Schweiß
Salzwasser, Gischt und auch Schweiß tragen zu einer Materialbeanspruchung bei. Die Schwimmkörper sind durch die Schutzhüllen nicht gegen das Eindringen von Wasser geschützt, egal ob sie mit einem Reißverschluss oder mit Klettband verschlossen werden. In jedem Falle wird immer Wasser in das Innere der Weste gelangen. Auch gelangt nicht selten Sand in den inneren Bereich von Westen, wenn sie zum Beispiel nach der Fahrt vom Ankerplatz zum Strand dann dort abgelegt werden. All diese Ablagerungen, wie Salz, Schmutz oder Sand, wirken bei mechanischer Belastung dann vor allem auf die Knickstellen des meistens gefalteten Schwimmkörpers wie Schleifpapier und das kann auf Dauer zu Beschädigungen, sprich Undichtigkeiten führen. Aus diesem Grund raten fast ausnahmslos alle Hersteller, die Rettungswesten nach Kontakt mit Schmutz oder Salzwasser zu reinigen – und das nicht nur außen, sondern auch das Innenleben sollte mit leichter Seifenlauge oder Feinwaschmittel gereinigt und mit klarem Wasser nachgespült werden. In jedem Falle sollten die Vorgaben der jeweiligen Hersteller unbedingt beachtet werden.
UV-Strahlung / Sonnenlicht
Wenn es etwas gibt, was kaum ein Kunststoff mag, dann ist es Sonnen- bzw. UV-Einstrahlung. UV-Strahlung trägt zur schnelleren Alterung von Kunststoffen bei. Ob eine Rettungsweste durch hohe Sonnenstrahlung belastet ist, zeigt sich normalerweise an sichtbaren Farbverlusten und Ausbleichungen. Je leuchtender und farbenfroher ein Material ist, desto geringer ist die UV-Beständigkeit und desto früher bleicht es aus. Zwar benutzen alle Hersteller UV-beständige Materialien, aber auch diese Stoffe altern bei hoher UV-Strahlung schneller. Aber nicht nur das: UV-Licht, spricht Sonnenlicht, trägt auch zu einer schnelleren Degradation von PU-Kunststoff bei. Bei einer Schutzhülle kann man dies manchmal daran erkennen, dass die Innenseite der Schutzhülle, welche mit PU beschichtet ist, Beschädigungen aufweist. Das Schadbild ähnelt einem Sonnenbrand auf der Haut, bei dem die Haut abpellt. Zu beachten ist, dass die Dichtigkeit der Schwimmkörper ebenfalls über eine PU-Beschichtung hergestellt wird. Somit kann auch die Dichtigkeit des Schwimmkörpers innerhalb der Schutzhülle durch UV-Strahlung beeinflusst werden. Sind Farbveränderungen an der Schutzhülle oder sogar ein Abpellen der PU-Beschichtung auf der Innenseite der Schutzhülle sichtbar, dann sollte dringend auch die Dichtigkeit des Schwimmkörpers überprüft werden, auch wenn die nächste Wartung laut Wartungsplakette noch nicht fällig ist.
Altern durch Nichtgebrauch
Jeder kennt das sicher: Man sucht ein Gummiband, wird in einer Schublade fündig und wundert sich, dass es schon bei der kleinsten Belastung einfach reißt. PU-Kunststoffe können auch bei Nichtgebrauch altern, auch wenn sie vor Umwelteinflüssen weitgehend geschützt gelagert werden. Dennoch sind Polyurethane grundsätzlich anfällig für Degradation, also Materialermüdung, und Oxidation. Somit altern die Materialien auch, wenn sie gar nicht benutzt werden. Daher sollten Westen, die eine längere Zeit gelagert wurden von außen wie neu erscheinen, vor der Benutzung eingehend kontrolliert werden.
Fazit und Empfehlung
Viele Bootssportler werfen hin und wieder einen Blick auf die Indikatoren einer Rettungsweste oder auf die Wartungsplakette, um den Zustand einzuschätzen. Das jedoch reicht nicht aus, um die Verlässlichkeit und den Zustand des vermutlich wichtigsten Seenotrettungsmittels an Bord bewerten zu können. Denn viele äußerliche Einflüsse, übrigens auch extreme Temperaturschwankungen und Chemikalien, können das Material überdurchschnittlich belasten.
Jeder Bergsteiger unterzieht seine Ausrüstung wie Karabiner oder Seile vor jeder Tour einer eingehenden Prüfung. Ebenso sollte das jeder Skipper auch mit Rettungswesten halten. Die Crux an Rettungswesten ist, dass man sie im besten Fall niemals benötigt, da man idealerweise niemals über Bord geht. Ob sie funktionieren, stellt sich dann erst im Gebrauch, also im Notfall, heraus. Deshalb sollte man sie stets überprüfen und kontrollieren. SECUMAR-Chef Bernhardt empfiehlt vor jedem Gebrauch einen Kurzcheck, vor längeren Törns, die über das übliche Wochenende hinaus gehen, oder auch Nachtfahrten, rät Bernhardt zu einer gründlicheren Kontrolle: „Zusätzlich zu einem Kurz-Check sollte die Rettungsweste dabei unbedingt einem 16-Stunden-Dichtigkeitstest unterzogen werden. Dafür ist kein Aufblasen per CO2-Patrone notwendig. Es reicht aus, die Schutzhülle zu öffnen und den Schwimmkörper über das Mundventil aufzublasen. Da die Westen heutzutage komplett aus synthetischen, anorganischen Materialien gefertigt werden, ist eine Schimmelbildung im Schwimmkörper durch Feuchtigkeit in der Atemluft nicht zu befürchten. Dies war lediglich früher der Fall, als Schwimmkörper noch aus Kautschuk gefertigt wurden.“ SECUMAR fertigt seit Anfang der 1990er Jahre keine Schwimmkörper mehr aus Kautschuk.
Eigene Risikoeinschätzung vornehmen
Freizeitskipper sind gut beraten, es ähnlich wie die Berufsschifffahrt zu halten und eine eigene Risikoeinschätzung vorzunehmen. Für gewerbliche Skipper, auch für Kojencharter, verlangt die Berufsgenossenschaft sogar eine solche Gefährdungsbewertung. Wie man eine solche Risokobewertung vornimmt, ist in dem Leitfaden der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (DGUV Regel 112-201) nachzulesen. Einige Hersteller bieten auch privaten Kunden Beratung zu diesem Thema an.