Rund Seeland – Natur und Sightseeing in Dänemark

“Wir machen dieses Jahr wieder Rund Fünen!” – so hört man es oft auf den Stegen der deutschen Häfen, wenn die Urlaubssaison beginnt. Der Törn ist bei Charterern wie Eignern der wohl beliebteste auf der Ostsee und so ziehen im Hochsommer ganze Scharen von Segelyachten, Kleinkreuzern und Motorbooten um die Insel. Einige Wochen später trifft man die gleichen Crews wieder zurück im Heimathafen und hört oft deren Erfahrungen: “Zu voll.” Keine Sorge, es gibt Abhilfe: Mit ein, zwei Tagen mehr Anreise liegt direkt auf der anderen Seite des großen Belts eine Insel, die wesentlich weniger Wassersportler umrunden: Seeland. Nicht nur, dass man auf dem Törn auch am späten Nachmittag oder Abend seltener Probleme hat, einen Liegeplatz zu finden – nein, “Sjælland rundt” bietet auch mehr Abwechslung und dazu Orte und Ecken, die nur wenige daheim kennen.

Metropolen, Natur und Fjorde

Der Törn, für den man – um nicht um die Insel zu hetzen – rund zwei Wochen einplanen sollte, bietet viele Erlebnisse. Man segelt zu wundervollen Inseln, imposanten Metropolen, durch geschützte Reviere und durch Gebiete, in denen es auch mal ruppig werden kann. Außerdem bekommt man unterwegs ab und zu mal das Gefühl, wirklich sehr weit weg von zuhause zu sein. „Bevor ich weiter ins Schwärmen kommen, legen wir besser ab“ sagt ADAC Gastautor Stephan Boden, Filmemacher, Buchautor und Revierkenner und hier sind seine Tipps:

Wie entscheide ich die Richtung der Umrundung Seelands?

Die Richtung der Umrundung hängt von der vorherrschenden Windrichtung West ab. Damit man im Norden der Insel im Kattegat nicht gegenan kreuzen muss, fährt man deshalb dieses Stück mit Wind von hinten. Im, südlich der Insel liegenden, Smålandsfahrwasser hingegen fährt man gegen die allgemeine Windrichtung, da es hier viel besser geschützt ist und man sich vor aufkommendem Starkwind auch schneller in die umliegenden Häfen verziehen kann. Deshalb fährt man den Seeland-Rund-Törn im allgemeinen im Uhrzeigersinn. Kommt man von der Ostdeutschen Küste, erreicht man das Revier entweder über Gedser (nicht empfehlenswert) oder Klintholm (sehr empfehlenswert) auf der Insel Møn. Crews, die in der Kieler Bucht loslegen, fahren am besten zunächst nach Bagenkop, segeln nach einer Übernachtung weiter an der Küste Langelands hoch und landen schließlich auf der idyllischen und wunderschönen Insel Omø im großen Belt.

Warum den Törn mit dem großen Belt beginnen?

Es heißt ja gemeinhin, man solle sich die besten Stücke immer fürs Ende aufheben. Das erfüllt dieser Törn sehr gut, denn ehrlich gesagt beginnt der große Belt nicht mit den Highlights, was die Häfen angeht. So ist jedenfalls die weitläufige Meinung. Aber dem ist gar nicht so, wenn man sich nicht an die Mainstream-Ziele hält und Alternativen ansteuert. Auf der Strecke sei als Erstes Korsør zu erwähnen, von wo aus man einen  fantastischen Blick auf die Storebælt-Brücke hat, die man am nächsten Tag durchfahren wird. Wenn Sie auf Korsør zusteuern, werden Sie sich wundern, wie man einen solch industriellen Ort zum Reviertipp machen kann. Es sieht von Seeseite wirklich nicht sehr einladend aus. Das ändert sich jedoch, wenn man im großen Sportboothafen festgemacht hat und sich die sehr hübsche Stadt mit ihren kleinen, urgemütlichen Häusern und Gassen ansieht.

Von Korsør aus geht es weiter Richtung Norden. Wenn Sie einen langen Schlag machen wollen, so können Sie direkt etwa 38 Seemeilen bis zur Insel Sejerø weiter segeln. Ich empfehle jedoch dringend, auf der Strecke in Reersø festzumachen. Diesen Hafen steuern nur sehr wenige Segler an, dabei verpasst man hier echt was. Angefangen am kleinen, schön gelegenen Fischerhafen, der dieses typisch dänische Gemütlichkeits-Gefühl vermittelt. Der sehr ursprüngliche Ort selbst besteht aus weiß getünchten, mit Reet gedeckten Häusern und bietet neben einem kleinen Kaufmann auch viele Möglichkeiten, geräucherten Fisch  zu kaufen oder sich die Werke einiger Künstler anzusehen, die sich hier niedergelassen haben. Reersø ist noch ein echtes Fischerdorf und das spürt man hier an jeder Ecke. Man glaubt, die Zeit sei stehen geblieben. Den Abend sollte man am Steilufer der Halbinsel ausklingen lassen, von wo man einen herrlichen Ausblick auf den Storebælt hat.

Das nächste Törnziel ist die Insel Sejerø, auf der man in einem schön gelegenen Hafen ankommt, der sich genau in der Mitte der langgestreckten Insel befindet. Von hier aus sollte man mit vor Ort geliehenen Fahrrädern das schöne Eiland erkunden. Auf der Südseite der sehr ruhigen Insel findet man Vogelschutzgebiete, in denen man die sehr selten gewordene, schwarz-weiße Lumme erblicken kann. Auch empfehlenswert ist der Ausflug zur Nordwestspitze und dem gelben Leuchtturm, der auf einer Anhöhe liegt. Sejerø ist vom Landschaftsbild eher ungewöhnlich und ständig wechseln sich auf der 11 km langen Insel flache Ebenen und hügelige Gebiete ab. Dieses Ziel ist etwas für Naturliebhaber.

Alternative auf Fünen

Wenn Sie viel Zeit haben, können Sie vorher auch von Reersø aus auch einen Schlag (etwa 17 sm)  über den Großen Belt nach Fünen machen und im Naturhafen Korshavn an der Nordostseite sehr gut ankern. Korshavn (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Hafen in der dänischen Südsee) befindet sich an der Nordostspitze Fünens, dem “Fyns Hoved” inmitten einer urwüchsigen Naturlandschaft. Die Bucht ist gegen alle Windrichtungen hervorragend geschützt und bietet darüber hinaus noch einen sehr schönen, beliebten Hafen.

Die schönsten Ziele im Kattegat

Nun hat man auch das Kattegat erreicht und gelangt an der Halbinsel “Sjællands Odde” die Nordseite der Insel. Der gleichnamige Hafen liegt etwas weiter östlich der Spitze. Er ist teilweise sehr stark belebt, was an der großen Fischereiflotte liegt. Sjællands Odde ist zwar ein tolles Ausflugsziel, allerdings hat sich das weit herumgesprochen und so ist es hier in der Hauptsaison ziemlich voll. So richtig empfehlenswert ist der Hafen nicht, daher macht es Sinn, an diesem Tag mal Meilen “zu fressen” und die etwa 20 Seemeilen weiter bis zum Eingang des Isefjords zu fahren. Dort findet man bessere Liegemöglichkeiten.

Sollten Sie zufällig um die Zeit der Sommersonnenwende in dieser Gegend sein, verbringen sie den “Sankt Hans Aften”, das dänische Mittsommernachtsfest, in Rørvig, welches an der Westseite im Eingang zum Fjord liegt. Zwar ist der Ort recht klein, aber an diesem speziellen Abend ist hier immer sehr viel los und der Scheiterhaufen, auf dem die Hexe verbrannt wird, größer als man das sonst kennt. Denn Rørvig ist ein für Dänen ganz besonderer Ort. Hier befindet man sich nämlich genau auf dem geografischen Mittelpunkt des Landes-. Und genau deshalb kommen zum Sankt Hans Fest auch häufig mehr Menschen als üblich.

Fjord-Ausflug

In Rørvig haben Sie mehrere Gründe, über den weiteren Verlauf des Törns nachzudenken. Es gibt nämlich mehrere Optionen. Entweder man setzt die Inselumrundung fort oder fährt in den Fjord hinein. Hier kann man dann gleich zwischen zwei Fjorden wählen: Dem Ise- und dem Roskilde-Fjord. Beide sind wirklich lohnenswert und vor allem, wenn für ein paar Tage Starkwind angesagt ist, eine tolle Alternative zum dann rauhen Kattegat. Im Isefjord kann man die Insel Orø anlaufen, nach Holbæk segeln oder den hübschen Ort Nykøbing besuchen.

Sehenswert und segelnswert ist auch wohl der Roskilde-Fjord. Vor allem Roskilde als südlichster Punkt am Ende des Fjords, den man nach etwa 25 schön zu fahrenden Seemeilen erreicht. Hier kann man gleich fünf echte Wikingerschiffe bewundern, die in einer Engstelle des Fjords geborgen wurden. Wenn Sie zur falschen (oder zur richtigen, das hängt von Ihnen ab) Zeit hier ankommen, ist Roskilde hoffnungslos überfüllt. Denn jedes Jahr findet hier das gleichnamige Musikfestival statt, welches zu einem der größten in Europa zählt und weit über 100.000 Besucher empfängt. Musikliebhaber kommen dann garantiert auf ihre Kosten, denn es treten hier internationale Musikstars auf. 2019 zum Beispiel war sogar der große Bob Dylan hier.

Weiter auf dem Kattegat

Von der Mündung des Isefjords geht es weiter entlang der herrlichen Strandküste im Norden Seelands bis Gilleleje, einem Hafen, ganz im Zeichen der Fischerei steht. Kaum sonstwo im ganzen Land herrscht so reges Treiben der Fischer wie hier, und genau das gibt diesem Hafen sein reizvolles Flair. Zwar sind hier immer sehr viele Touristen, doch das tut der Sache keinen Abbruch: Gilleleje ist in jeglicher Hinsicht eine Empfehlung. Der Hafen ist modern und komfortabel ausgestattet und der typisch dänische Fischerort mit den weißen Fachwerkhäusern sehr reizvoll. In Gilleleje findet man auch den ältesten Bäcker Dänemarks, wo man die perfekte Zutat für ein Abendessen mit frischem Räucherfisch vom Hafen und köstlichem Brot findet. Gilleleje ist dann zugleich auch der letzte Hafen im Kattegat. Danach wird es noch erlebnisreicher.

Welche Orte sollte ich in Schweden unbedingt ansteuern?

Wenn man das Kattegat verlässt und in den Øresund gelangt, steht gleich am Eingang ein Besuch der Stadt Helsingør an. Hier befindet sich das berühmte Hamlet-Schloss, welches natürlich auf jede Besuchsliste eines Reisenden gehört, der diese Ecke Seelands besucht. Hier beginnt dann auch der erlebnisreichste Teil des Törns und nun reiht sich ein Highlight an das Nächste. Der Besuch des Schlosses ist eindrucksvoll und informativ zugleich. Es war in der Vergangenheit sehr umkämpft und wechselten sich die früher ziemlich zerstrittenen Schweden und Dänen als Besitzer ab. Schweden (Helsingör) liegt nur einen Steinwurf entfernt auf der anderes Seite des Sunds. Die Fähren zwischen Helsingør auf der dänischen und Helsingborg auf der schwedischen Seite fahren hier in einer Taktung wie Busse in der Stadt. In der Fußgängerzone kann man auch feststellen, warum eine große Anzahl von Schweden immer wieder nach Helsingør kommt: Alkohol. Der ist in Schweden schwer zu bekommen und alles oberhalb von Lättöl (Leichtbier) verkauft nur eine staatliche Ladenkette und das zu horrenden Preisen. In Helsingør sind deshalb die Auslagen der Geschäfte in der Innenstadt nicht wie bei uns mit günstigen Angeboten wie Pyjamas, Socken oder Frottierwaren gefüllt, sondern mit diversen Alkoholika. Man bekommt hier ganz gut einen Eindruck davon, weshalb über 70% des in Schweden konsumierten Alkohols nicht in Schweden gekauft werden. Dem deutschen Segler indes ist das egal und so kann man sich voll und ganz auf das Schloss konzentrieren, bevor man am nächsten Tag einen Abstecher nach Schweden macht.

Besuche in Schweden

Wenn man den Øresund nach Süden segelt, kann man sich im Prinzip aussuchen, ob man am Abend in Schweden oder in Dänemark anlegt. Beides liegt rechts und links an der Strecke. Zwei oder drei Orte sollten Sie in Schweden unbedingt besuchen.

1. Hven
2. Landskrona
3. Malmö

Fangen wir auf der Insel Hven an, die mitten im Sund liegt. So klein sie auch ist, sie hat drei Häfen. Zum Anlegen für Sportboote eignet sich Kyrkbacken am besten. Dort ist es häufig sehr voll, weil die Insel von Kopenhagen gut zu erreichen ist. Aber dennoch sollte man der Insel einen Besuch abstatten. Vor allem die tolle Aussicht, wenn man einen Rundgang hoch zur Sankt Ibbs Kirche macht, lässt einen das Dreierpäckchen unten im Hafen vergessen. Überall auf der Insel kann man sich eines der gelben Leihfahrräder schnappen und damit eine Inseltour machen. Manche Besucher machen sich einen Spaß daraus, die Fahrräder mit aufs Festland zu nehmen. Für diesen Fall klebt auf jedem Rahmen eine Telefonnummer, wo man die “wild Bikes” melden kann. Der Hafenmeister hat mir mal erzählt, dass eines dieser Fahrräder mal in New York City gefunden und gemeldet wurde. Sicher hat man es in dem Fall nicht abgeholt. Ob Sie die Insel “Hven” oder “Ven” schreiben, ist Ihnen überlassen. Beides ist erlaubt, je nachdem ob man die schwedische oder dänische Variante lieber mag. Hven gehörte früher zu Dänemark. Im “Frieden von Roskilde”(1658) , in dem die ewigen Kriegereien zwischen beiden Ländern (zunächst) beendet wurden, tauschte Dänemark die Insel gegen Bornholm ein.

Zweites Pflichtprogramm sollte auf schwedischer Seite Landskrona sein. Zum einen wegen der sehenswerten Zitadelle, zum anderen weil es hier schön ist und man so richtig in Schweden ankommt. Bereits bei der Ansteuerung wird man eindrucksvoll durch den riesigen Wasserspeicher begrüßt, der hoch über dem Hafen steht und wie ein Ufo aussieht. Wenn Ihnen in Landskrona die vielen Gänse auffallen, werden Sie nachvollziehen können, weshalb Selma Lagerlöf, die hier geboren wurde, Nils Holgersson erfunden hat.

Zu guter Letzt der schwedischen Tipps sein Ihnen Malmö ans Herz gelegt. Ich weiß, nach Kopenhagen noch eine große Stadt zu besuchen, ist für viele Segler kein reizvoller Gedanke. Aber man sollte die Stadt wirklich besuchen. Kopenhagen gilt ja als Metropole, die man wunderbar zu Fuß erkunden kann. In Malmö dagegen macht man das am besten mit einer Kanalrundfahrt, bei der man viel sieht und viel erfährt. Wenn Sie zentral liegen möchten, empfiehlt sich die Dockan City Marina. Diese liegt zusammen mit dem schon von weitem sichtbaren “Turning Torso” dem in sich gedrehten Hochhaus, im Westhafen (Västra Hamn) in sehr exponierter Lage.

Leben in Kopenhagen tatsächlich die glücklichsten Menschen?

Die dänische Hauptstadt lässt sich anhand einer Studie gut beschreiben: Die nämlich besagt, dass in Kopenhagen die glücklichsten Menschen Europas leben. Mehr muss man über diese großartige Stadt gar nicht schreiben. Sonst würde das auch ein Buch füllen. Die Frage ist in Kopenhagen für Segler indes immer, wo man anlegen soll. Leider wird niemals jemand diese Frage abschließend beantworten können. Ich empfehle, es entweder sehr zentral im Christianshaven zu versuchen oder gegenüber des imposanten Opernhauses im Hafen “Langelinie”, wo man gleich neben der “Kleinen Meerjungfrau”, dem Wahrzeichen der Stadt liegt. In der Hochsaison sind alle Häfen ziemlich voll. Aber die Dänen sind meistens sehr tolerant wenn es darum geht, in irgendeine Ecke eines Hafens noch ein Boot zu quetschen. Fündig wird man hier irgendwie immer.

Wenn Sie dieses Gedränge in der Hochsaison vermeiden wollen, dann würde ich nach Dragør ausweichen. Von dort kommt man sehr entspannt mit dem ÖPNV nach Kopenhagen. Außerdem liegt der Hafen sehr schön mit tollem Blick auf die Øresundbrücke. Dazu ist der Ort selbst mit seinen alten gelb getünchten Gebäude eine echte Augenweide. Und sie haben hier mehr Ruhe als in der großen Stadt.

Den Sund hinab ins Smålandsfahrwasser

Um weiter nach Süden zu kommen und ins Smålandsfahrwasser gelangen, empfehlen sich auf dem Weg durch den Øresund zwei Zwischenstationen: Zunächst Rødvig mit seinem prächtigen Turm und danach Køge, was strategisch günstig liegt, wo aber stets viel Touristentrubel ist.
Danach kann man sich auf den letzten Abschnitt, das Smålandsfahrwasser freuen. Dort segelt man gut geschützt und hat freie Auswahl, was tolle Törnziele anbelangt. Hier warten kleine, idyllische Inselhäfen, schöne Städte und touristische Orte mit viel Urlaubsgewimmel. Über das Smålandsfahrwasser lässt sich locker ein eigener Revierführer schreiben. Genießen Sie die Zeit in dem schönen Revier südlich von Seeland und lassen Sie sich hier einfach treiben, bis der Urlaub sich dem Ende zuneigt. Nach – je nachdem, woher sie kommen – 300-350 Seemeilen liegt nun sicher ein unvergesslicher Törn hinter Ihnen und die Gewissheit: Es muss nicht immer Rund Fünen sein.

Informationen zum Autor:

Stephan Boden segelt bereits seit fast zwanzig Jahren intensiv in dänischen Gewässern. Der Buchautor und Filmemacher hat über das Revier bereits Filme und Bücher produziert. Von 2012 bis 2014 verbrachte er auf einer Varianta 18 fast 50 Wochen in dem Gebiet. Seinen Revierführer “Ostseeperlen”, der viele Geschichten und Tipps beinhaltet, findet man auf den Bestsellerlisten.